Mittwoch, 27. Mai 2020

Gnadenloser Stellenabbau


aus ver.di publik 02/2020

PAYPAL — Der amerikanische Online-Bezahldienst schrumpft seinen Standort in Berlin, auf Kosten hunderter Beschäftigter


Von Gudrun Giese | 20. März 2020

Berlin – "Für jeden eine gute Lösung" verspricht der Online-Bezahldienst PayPal auf seiner deutschen Website seinen Kundinnen und Kunden. Nur für die PayPal-Beschäftigten gilt das nicht. Sie leisten gute Arbeit und verhelfen ihrem Arbeitgeber damit zu schwarzen Zahlen, dennoch will die Geschäftsleitung seit dem vergangenen Jahr 309 von 355 Stellen am Standort Berlin-Wilmersdorf abbauen (ver.di publik 6_2019). Kosten darf das aber nichts: Bisher weigert sich der Arbeitgeber, angemessene Abfindungen und Ausgleichszahlungen zu zahlen. Deshalb haben Betriebsrat und ver.di Ende Februar mit einer öffentlichen Aktion auf die Missstände aufmerksam gemacht.

Wie smart PayPal wirklich ist


"Nachdem der Arbeitgeber in mehr als zehn Verhandlungsrunden nicht schlüssig darlegen konnte, warum am Standort Berlin über achtzig Prozent der Arbeitsplätze abgebaut werden müssen, und jedes Alternativkonzept ungeprüft verworfen hat, wollten wir auch der Öffentlichkeit zeigen, wie smart PayPal wirklich ist", sagt Mike Döding, Leiter des Fachbereichs Finanzdienstleistungen im ver.di-Landesbezirk Berlin-Brandenburg, anlässlich der Protestaktion vor dem PayPal-Sitz in Wilmersdorf. Die Wirklichkeit bestehe darin, in Deutschland Millionengewinne einzustreichen, gleichzeitig keine Steuern zu zahlen, da der europäische Firmensitz sich in Luxemburg und Irland befinde, aber letztlich "die Folgen und Kosten ungebremster Profitgier der Gesellschaft zur Last" zu legen.

"Es gibt diesen Standort seit 2011", sagt der Betriebsratsvorsitzende Anselm Mathes. "Bisher ist er kontinuierlich gewachsen, und unser Team arbeitet in der Kundenbetreuung ebenso wie im Verkauf von neuen Produkten an Händler." Doch trotz der positiven wirtschaftlichen Entwicklung gehe es der ehemaligen eBay-Tochter PayPal vor allem darum, Kosten zu reduzieren. "Aufgaben werden verstärkt an externe Dienstleister ausgelagert", sagt Mathes. Bei Externen würden derzeit ebenso zusätzliche Kapazitäten aufgebaut wie bei PayPal in Polen. Auch nach Irland möchte der US-amerikanische Online-Bezahldienst Aufgaben aus Berlin verlagern, findet dort aber nicht das passende Personal. "Die Geschäftsleitung hat ganz unverfroren erklärt, dass wir uns ja neu auf ausgeschriebene Stellen bewerben könnten", so der Betriebsratsvorsitzende.

Da mittlerweile wenig Hoffnung besteht, den Standort Wilmersdorf mit allen Stellen zu erhalten, und sich bereits mehr als 50 der dort Beschäftigten andere Jobs gesucht haben, wollen Betriebsrat und ver.di nun wenigstens einen guten Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Arbeitgeber aushandeln. Aber hier erweist sich PayPal, das 2019 weltweit einen Umsatz von knapp 18 Milliarden US-Dollar verbuchte, als knauserig. Nach zahlreichen ergebnislosen Gesprächen hat die Arbeitgeberseite nun immerhin eine Einigungsstelle angerufen. Für den 2., 8. und 30. April wurden die ersten Verhandlungen terminiert.

Nachteilausgleich muss drin sein


"Eine Verständigung kann es nur geben, wenn PayPal angemessene Abfindungen inklusive eines Nachteilausgleichs zahlt", sagt Anselm Mathes. Sollten Beschäftigte etwa künftig in einem Call Center arbeiten müssen, hätten sie dort schlechtere Verdienstmöglichkeiten als bei PayPal. Diesen Nachteil müsse der Arbeitgeber ausgleichen. Zudem fordern Betriebsrat und ver.di eine Transfergesellschaft für alle, die nicht gleich eine neue Stelle finden.

Die PayPal-Zentrale im kalifornischen San José hatte den Berliner Standort bereits zum Jahresende 2019 auf nur noch 46 Kundenbetreuer*innen schrumpfen wollen. Als neues Ziel sei nun, so Anselm Mathes, Ende April ausgegeben worden. Doch angesichts der bisherigen zähen Verhandlungen glaubt er eigentlich nicht, dass das Unternehmen sich bis zu diesem Zeitpunkt zu Zahlungen in angemessener Höhe durchringen wird.

Mittwoch, 20. Mai 2020

Agil zum Ziel sprinten


aus ver.di publik 02/2020

GUTE ARBEIT — Bei agiler Projektarbeit herrscht noch immer zu viel Druck von oben


Von Gudrun Giese | 20. März 2020

Immer mehr Bedeutung erlangt seit einigen Jahren "agiles Arbeiten", eine besondere Form der Teamarbeit, die nicht mehr nur in IT-Firmen, sondern in vielen Abteilungen großer Unternehmen angewendet wird. Der ver.di-Bereich Innovation und Gute Arbeit hat im Rahmen des Verbundprojektes diGAP (Gute agile Projektarbeit in der digitalen Welt) Ideen entwickelt, wie diese Arbeitsmethode gestaltet werden sollte, um Belastungen abzubauen.


Unter idealen Bedingungen müsste agile Projektarbeit so ablaufen: Ein sehr gut geschultes und aufeinander eingespieltes Team arbeitet gemeinsam, ohne Chef und in enger Abstimmung mit dem jeweiligen Auftraggeber. Bei der agilen Methode "Scrum" werden Arbeitsziele durch das Team für relativ kurze Projektphasen von zwei bis vier Wochen ("Sprints") definiert und danach mit dem Auftraggeber zusammen überprüft. Das Team besteht aus sechs bis zehn Mitgliedern, die klar definierte Rollen haben: Für den Rahmen und die Einhaltung der Methode ist der/die Scrum-Master zuständig, die Entwicklung der Produktidee und die Verbindung zum Kunden übernimmt der/die Product-Owner. Die übrigen Teammitglieder sind die Fachexpert*innen für den Auftrag. Entscheidend für gute agile Projektarbeit ist, dass das Team seinen Weg zum Ziel findet, ohne Druck von außen zu bekommen. Schließlich muss es auch genügend Zeit für ein Projekt haben.

In der Praxis klaffen jedoch Anspruch und Wirklichkeit auseinander. "Den Grundansatz dieser Arbeitsmethode begrüßen wir. Leider hapert es noch an entscheidenden Punkten bei der Umsetzung", sagt Frank Duckwitz, Betriebsratsmitglied in der Commerzbank-Zentrale und dort unter anderem für agiles Arbeiten in den Abteilungen der Projekt- und Prozessentwicklung sowie -betreuung zuständig. Zwei große Probleme gebe es: Die Unternehmensleitung übe Druck auf die agil arbeitenden Teams aus, weil sie Ergebnisse sehen wolle. Und die Teammitglieder hätten nicht genug Zeit, das nicht-hierarchische Arbeiten und selbstbestimmte Entscheiden einzuüben. "Wenn diese Arbeitsmethode klappen soll, müssen alle umlernen", meint Frank Duckwitz. "Wer sich bisher darauf verlassen hat, dass Vorgesetzte Entscheidungen treffen, muss nun selbst Verantwortung übernehmen. Und die, die von sich aus gerne den Ton angeben, sollen lernen, im Team auch auf andere zu hören."

Seit gut sieben Monaten arbeiten ungefähr 4.500 von 12.000 Beschäftigten der Commerzbank-Zentrale nach agilen Methoden. Der Rahmen dafür wurde von Arbeitgeber- und Betriebsratsseite gemeinsam gestaltet. "Im Sommer 2018 kam der Vorstand mit der Idee auf uns zu", so Frank Duckwitz. Der Betriebsrat habe so die Möglichkeit gehabt, von Anfang an Einfluss zu nehmen. In einer Testphase übten Beschäftigte auf freiwilliger Basis die agile Projektarbeit ein. Ihre Erfahrungen gingen in die 2019 abgeschlossene Betriebsvereinbarung ein. "In den Testteams wurde die Vertrauensarbeitszeit erprobt, die sich aber nicht bewährt hat. Nun gilt für die agilen Teams wieder die übliche Gleitzeitregelung, sodass Personalengpässe eher sichtbar werden", sagt Frank Duckwitz. Und solche Engpässe gibt es: Scrum-Master sollen etwa mehrere Teams betreuen, was nicht zur Idee der agilen Arbeit passe. Es müssten dringend mehr Beschäftigte entsprechend qualifiziert werden; Bewerber*innen für diese Aufgabe gebe es genug, so Duckwitz.

Mehr Partizipation


Vergleichbare Erfahrungen wie die Commerzbank-Arbeitnehmer*innen machen auch rund 1.500 Beschäftigte bei der Telekom-IT, die seit 2017 agil arbeiten. "Der Arbeitgeber erhofft sich mehr Effizienz durch diese Arbeitsmethode, die Beschäftigten mehr Partizipation", sagt Thomas Frischkorn, Sprecher des Arbeitskreises Agilität im Gesamtbetriebsrat der Deutschen Telekom-IT, die 2017 aus der T-Systems als Dienstleister für die interne IT ausgegründet worden ist.

Bei einer jüngst abgeschlossenen Beschäftigtenbefragung von 15 agil arbeitenden Teams im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung kam zudem heraus, dass eine unternehmensweite Entscheidung der Telekom die Arbeit im Scrum behindert: der Abbau von Büroarbeitsplätzen. Mit diesem Schritt will das Unternehmen einen dreistelligen Millionenbetrag einsparen, da weniger Schreib- tische vor allem weniger Bürogebäude, Mieten und Betriebskosten bedeuten. "Die agilen Teams benötigen aber Räume, in denen sie zusammenkommen und ihre Projekte planen können", so Thomas Frischkorn. Als weiteres Problem nennt er die Arbeitsintensität. Die Beschäftigten arbeiten zwar ohne erkennbare Hierarchie, neigen aber dazu, sich zu immer höheren Leistungen anzutreiben.

Nadine Müller aus dem ver.di-Bereich Innovation und Gute Arbeit fasste Ende Januar bei der Abschlusstagung des diGAP-Projektes dazu Ergebnisse einer Beschäftigtenbefragung vor allem in der Softwareentwicklung zusammen: "Ein hoher Anteil von 56 Prozent der agil Arbeitenden steht bei der Arbeit oft unter Zeitdruck." Die Mehrzahl der Befragten leiste Mehrarbeit. Beides trifft aber auch auf nicht agil Arbeitende zu. Positiv bewerteten die agil Arbeitenden, dass sie sehr produktiv "hinsichtlich Leistung des Projektteams, Termintreue, Qualität der Lösung und des Kundenfeedbacks" arbeiten könnten. 64 Prozent der agil Arbeitenden fanden, dass sie mit dieser Methode "die Möglichkeit zu mehr selbstbestimmter Arbeit" hätten.

Im Verbundprojekt diGAP, an dem neben ver.di verschiedene wissenschaftliche Einrichtungen und Firmen beteiligt waren, werden nun bis zum Herbst die Projektergebnisse aufbereitet. "Wichtig sind Freiräume für die agil Arbeitenden", sagt Christian Wille vom Bereich Innovation und Gute Arbeit. "Auch für Betriebs- und Personalräte ist agile Projektarbeit eine Herausforderung, denn Mitbestimmung und Schutzrechte der Beschäftigten müssen dafür weiterentwickelt werden." Ein Leitfaden mit Empfehlungen ist gerade veröffentlicht worden.

Die Dokumentation der Abschlusstagung und Empfehlungen für tarifliche und betriebliche Regelungen gibt es im Internet: diGAP.verdi.de


Donnerstag, 14. Mai 2020

Montag, 11. Mai 2020

Kurzarbeit


Bei Weltbild gab es jetzt im April einen Monat Kurzarbeit. Seit Mai nicht mehr und ob es nochmal kommt, hängt von der Weiterentwicklung der Corona-Krise ab.
Die Gesamt-Betriebsvereinbarung gilt aber weiterhin für die Filialen und die Zentrale in Augsburg. Hier hat der Gesamtbetriebsrat und die Geschäftsführung in sehr kurzer Zeit was richtig gutes verhandelt.

Das Kurzarbeitergeld beträgt 60 % bzw. 67 % des ausgefallenen Netto-Gehalts. Das ist für viele KollegInnen sehr wenig, auch weil die üblichen Abbuchungen wie Miete, Versicherungen, eventuelle Kredite, usw. weiterlaufen und leben soll man ja auch noch. Deswegen ist in der Gesamt-Betriebsvereinbarung eine Aufstockung auf 80 % bis zu 90 % des ausgefallenen Nettogehalts geregelt, gestaffelt nach Bruttovergütung. Dies war speziell für unsere KollegInnen in den Filialen eine große Hilfe, da die Geschäfte ja geschlossen hatten.

Ebenso ist ein Kündigungsschutz geregelt. Während der Kurzarbeit und 6 Wochen nach Ablauf der Kurzarbeit dürfen keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden.

Ob wieder Kurzarbeit gebraucht wird, hängt von diversen Faktoren (z.B. Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage von Weltbild) ab. Und das geht nie ohne den Gesamtbetriebsrat. Dieser prüft sehr genau, ob und wie lang Kurzarbeit benötigt wird.

Freitag, 8. Mai 2020

Applaus ist zu wenig!


In Zeiten der Corona-Pandemie zeigt sich: Bestimmte Berufsgruppen halten den Laden am Laufen und unsere Gesellschaft zusammen. Dazu gehören beispielsweise die Beschäftigten in Verkehrsunternehmen, bei Abfallentsorgern, in Lebensmittel-Läden sowie in Heimen und Krankenhäusern. Zum Großteil sind es frauendominierte Berufe. Ohne sie wäre die Daseinsvorsorge nicht gewährleistet. Die Republik würde ins Chaos stürzen.

Viele dieser Berufe gehen mit hoher Belastung und geringer Wertschätzung einher. Zudem ist die Bezahlung oft unterdurchschnittlich. Während der durchschnittliche Bruttostundenlohn aller Berufe bei 19,38 Euro liegt, weisen in der Krise wichtige Berufsfelder oft deutlich niedrigere Löhne auf. So erhält der Verkäufer im Supermarkt nur 9,66 Euro und die Busfahrerin 11,38 Euro die Stunde. Die Zahlenangaben sind von 2014, neuere Zahlen gibt es dazu leider nicht.

Die Gründe dafür sind vielfältig, aber klar ist: Politik trägt eine gehörige Mitschuld daran. Sie hat Märkte liberalisiert. Sie hat öffentliche Dienstleistungen ausgelagert und privatisiert. Und sie hat die Arbeitsmärkte prekarisiert. Deshalb brauchen wir eine politische Kehrtwende: Wir müssen die Arbeitsbedingungen verbessern, die Löhne erhöhen, Tarifverträge stärken – und so die Arbeit in unverzichtbaren Berufen aufwerten. Das würde auch die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern reduzieren.


Dienstag, 5. Mai 2020

Corona: In der Krise rächt sich die marktorientierte Gesundheitspolitik


Leere Regale in den Supermärkten, geschlossene Schulen, abgesagte Messen, sinkende Börsenkurse, Kurzarbeit und Entlassungen: Die schlechten Nachrichten häufen sich. Die Bundesregierung schnürt eilig ein Hilfspaket für milliardenschwere Investitionen in der Wirtschaft. Auf Kliniken und Krankenhäuser rollt dennoch ein Tsunami zu, wie ein betroffener Arzt im Katastrophengebiet Italien die Flut der Schwerstfälle der am Corona-Virus Erkrankten schon Anfang März beschrieb. Ein schnelles Ende der Ansteckungswelle ist nicht in Sicht. Und in der Krise muss sich nun auch unser Gesundheitssystem beweisen. Die Frage ist nur, ob es das kann: Seit Jahren wird bei den Ausgaben gespart, werden Medikamente und medizinisches Material kostengünstig im Ausland produziert und verknappen sich bei Produktionsproblemen. In den Kliniken fehlt es an Personal, ganze Abteilungen werden ausgelagert, um Kosten zu reduzieren. Ökonomische Interessen haben schon lange die Vernunft verdrängt. Und das könnte sich nun rächen.

Nicht nur Apotheken können keine Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel mehr liefern, auch immer mehr Kliniken stellen fest, im Keller liegen keine Reserven. Bei zahlreichen Medikamenten, die in Deutschland verkauft werden, gibt es ebenfalls Engpässe, und das auch schon länger. Ob Blutdrucksenker, Schmerzmittel oder Schilddrüsenhormone, die Gelbe Liste 2019 ist lang. Im Februar hat der Bundestag eine Änderung im Arzneimittelgesetz beschlossen: Pharmafirmen können nun von Behörden verpflichtet werden, Medikamente auf Vorrat zu halten, um Lieferengpässe zu vermeiden. Aber das sollten sie dann auch tun, und zwar schnell. Aber nicht nur der Mangel an Material- und Medikamentennachschub bereitet Sorgen. Auch die Personaldecke ist seit Jahren ausgedünnt. Menschen in Kranken- und Pflegeberufen arbeiten noch immer viel zu oft am Limit. Inzwischen fangen die Kliniken sogar an, sich gegenseitig die Fachkräfte abzujagen. Da hilft es jetzt auch nicht, dass die Bundesregierung ein Fachkräfteeinwanderungs-gesetz verabschiedet hat, das von der Öffentlichkeit kaum beachtet am 1. März in Kraft getreten ist, und mit dem zügig Pflegekräfte aus dem außereuropäischen Ausland gewonnen werden sollen. Gute Arbeitsbedingungen und Löhne wären der bessere Weg hin zu mehr Personal.

Das Virus trifft auf Kliniken in Not, auf überlastete Ärzte und Pflegekräfte und auf krank machende Arbeitsbedingungen

Mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 spitzt sich die Lage zu: Das Virus trifft auf Kliniken in Not, auf überlastete Ärzte und Pflegekräfte und auf krank machende Arbeitsbedingungen. Es trifft auf Menschen, die aus Leidenschaft helfen, manche bis zum Burnout. Dabei brauchen sie jetzt dringend selbst Entlastung. Die Politik könnte die Arbeitsbedingungen in den Kliniken verbessern. Doch das macht sie nicht. Fallpauschalen bestimmen, was eine Krankheit kosten darf, niedrige Kosten sind wichtiger als die Gesundheit der Bevölkerung. ver.di kämpft schon seit geraumer Zeit für mehr Personal und Entlastung in den Krankenhäusern. Dabei ging und geht es auch darum, per Gesetz durchzusetzen, wie viele Menschen wie viele Patient*innen pflegen. Dafür haben ver.di, der Deutsche Pflegerat und die Deutsche Krankenhausgesellschaft erst kürzlich Standards auf Grundlage der Pflegepersonalregelung festgelegt. Als weiteren Schritt haben 16 Großkliniken nach Arbeitskämpfen Vereinbarungen für mehr Personal und Entlastung unterschrieben. Das Klinikpersonal konnte und wollte die viel zu dünne Personaldecke nicht länger ertragen. Doch nun kommen erneut Extraschichten auf die Beschäftigten zu, weil das Virus nicht darauf gewartet hat, bis die Politik endlich handelt. Sie sind Held*innen, wenn sie das aushalten.

Politik und Gesellschaft müssen ihre Nöte endlich ernst nehmen. Jetzt, und auch wenn das Virus wieder verschwindet. Ärzt*innen und Pflegekräfte helfen Menschen in Not. Sie kämpfen um die Leben der Infizierten, aber auch tagtäglich um viele andere Patient*innen, die ebenfalls schwer erkrankt sind. Wo wegen Corona die Untergrenzen für das Personal aufgehoben werden, ist die Grundversorgung nicht mehr gesichert. Das Aufschieben von Operationen, die noch eine Weile warten können, verschafft vielleicht kurzfristig eine Atempause, ist aber keine Dauerlösung. Allen muss jetzt klar sein, wenn Patient*innen nicht mehr richtig versorgt werden können, weil zu wenig Personal da ist, dann liegt die Schuld nicht beim Krankenhauspersonal. Die Verantwortung hat allein die Politik, die das Gesundheitssystem dem Markt zum Fraß vorgeworfen hat und seit zwei Jahrzehnten ausbluten lässt.

aus: ver.di Publik 02/2020

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