aus ver.di publik 5/19
WOHNUNGSNOT IN DER EU
Die Europäische Bürgerinitiative „Housing for All“, Wohnen für alle, fordert eine soziale Wohnungspolitik, damit Wohnen wieder für alle Menschen bezahlbar wird
Von Werner Rügemer
Aus Wien, der europäischen Stadt mit den meisten öffentlichen Wohnungen, kam der Anstoß: Wir gründen eine europaweite Bürgerinitiative! Unsere Forderung: Bezahlbare Wohnungen für alle! Wohnen ist ein Menschenrecht!
„Großinvestoren spekulieren auf hohe Renditen und kaufen ganze Stadtteile auf. Fakt ist: Der ungezügelte Kapitalmarkt wird niemals breite Schichten der Bevölkerung mit leistbarem Wohnraum versorgen. Hier muss die nationale Politik eingreifen und die EU bessere Voraussetzungen schaffen“,sagt die Sprecherin der Initiative, die Wienerin Karin Zauner-Lohmeyer. Sie arbeitet im öffentlichen Wohnungsbau der österreichischen Hauptstadt. „Wir müssen dieser unfassbaren, unmenschlichen Spekulation radikal entgegentreten! Das zerstört unsere Gesellschaft, und das ist der Boden der radikalen Rechten in Europa! Da müssen wir ein Zeichen setzen!“
Gewerkschaften beteiligen sich
Die Initiative will bis zum 18. März 2020 mindestens eine Million Unterschriften in den EU-Staaten sammeln. In Deutschland müssen es mindestens 72.000 gültige Stimmen sein. Wenn die zustandekommen, müssen die Europäische Kommission und das Europäische Parlament die Forderungen behandeln.
Wohnungspolitik unterliegt den jeweils nationalen Regierungen. Aber die EU ist für einige Rahmenbedingungen verantwortlich.
Deshalb fordert die EBI:
1. Die EU beschränkt ihr Beihilferecht auf arme „Problemgruppen“. Das muss geändert werden, denn Wohnungsnotstand betrifft längst auch die Mehrheit der abhängig Beschäftigten.
2. Die Maastricht-Kriterien für die Grenzen der öffentlichen Verschuldung müssen für den Sozialwohnungsbau außer Kraft gesetzt werden.
3. Die EU muss, etwa über die Europäische Investitionsbank EIB, für gemeinnützige und öffentliche Wohnbauträger günstige Kredite mit niedrigen Zinsen bereitstellen.
4. Die gewinngierige Kurzzeitvermietung von Wohnungen durch Online-Plattform-Konzerne wie Airbnb muss eingeschränkt werden.
5. Die offiziellen Angaben zu Durchschnittsmieten wie durch die EU-Statistikbehörde Eurostat verschleiern die Notstände. Deshalb: kleinteilige Datenerfassung über einzelne Städte, Stadtviertel, Straßen!
Zauner-Lohmeyer beruft sich auf die weltweit bekannten Wohnverhältnisse in der österreichischen Hauptstadt. „Seit hundert Jahren ist in Wien das Wohnen eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge. 60 Prozent der Wiener Bevölkerung wohnt in Wohnungen des geförderten genossenschaftlichen und des kommunalen Wohnbaus.“ So etwas ist also möglich, mitten im Kapitalismus.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Sie können Ihre Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählen Sie dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Sie unter einem Pseudonym schreiben wollen, wählen Sie die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.