aus ver.di publik 5/19:
GRUNDSTÜCKSPREISE - Eine soziale Reform des Bodenrechts ist nötig
Die Wohnungsfrage verschärft sich weiter. In den Großstädten schießen die Mieten durch die Decke. Die Mietpreisbremse brachte keine große Entlastung. Zwischen Kiel und München wird zwar inzwischen etwas mehr gebaut. Der Neubau bleibt aber hinter dem Bedarf zurück. Zudem entstehen Wohnungen überwiegend im mittleren und höheren Preissegment. Folglich bleibt bezahlbarer Wohnraum knapp. Explodierende Grundstückspreise machen Mieten und Bauen immer teurer. Die starke Nachfrage nach Bauland und die Spekulation mit „Betongold“ treiben die Preise nach oben. Eigentümer von Brachflächen müssen nur Däumchen drehen. Jedes Jahr können sie zweistellige Renditen einstreichen. Erschwerend hinzu kommt, dass in den letzten Jahrzehnten viele öffentliche Wohnungs- und Grundstücksbestände privatisiert wurden. Dadurch wurde öffentlicher Boden aus der Hand gegeben. Folglich sind die wohnungspolitischen Gestaltungsspielräume kleiner geworden.
Boden war noch nie so teuer wie heute. Seit den 1960er Jahren sind die Bodenpreise im Schnitt um das 18-fache gestiegen. In München explodierten sie seit den 1950er Jahren um das 340-fache. In einigen Stadtteilen Berlins verzehnfachten sich die Bodenpreise in den letzten zehn Jahren. In der Hauptstadt kostet ein Quadratmeter Bauland inzwischen rund 700 Euro. Die Immobilienbesitzer kommen so in den Genuss leistungsloser Vermögenszuwächse. Dabei profitieren die Eigentümer von staatlichen Vorleistungen. Der steuerfinanzierte Bau von U-Bahnen, Schulen, Theatern, Museen oder Parks steigert den Wert des dortigen Baulandes. Diese leistungslosen Bodenrenditen erreichen jedes Jahr rund 150 Milliarden Euro. Da der Immobilienbesitz hoch konzentriert ist, profitieren überwiegend reiche Haushalte.
Grund und Boden ist aber keine normale Ware. Boden ist knapp und nicht beliebig vermehrbar. Seine Verteilung und Nutzung muss am Gemeinwohl ausgerichtet werden. Was mit den knappen Grundstücken geschieht, darf nicht der Profitlogik weniger Privateigentümer überlassen werden. Deswegen brauchen wir eine soziale Reform des Bodenrechts. Das Eigentumsrecht kann bereits mit kleinen Eingriffen qualitativ verändert werden. Das Erbbaurecht ist eine seit 100 Jahren bewährte sozial gerechte und spekulationsfeindliche Eigentumsform.
Die Kommunen vergeben befristete Bodennutzungsrechte mit Gemeinwohlbindung. Der öffentliche Boden wird verpachtet und der Pächter kann darauf ein eigenes Gebäude errichten. Der Boden bleibt in kommunaler Hand und kann nicht weiterverkauft werden. So wird der Besitz von Boden und Gebäuden entkoppelt. Das reicht aber nicht aus. Auch die kommunalen Vorkaufsrechte sollten gestärkt werden, damit Städte und Gemeinden besser an Boden gelangen. Die öffentliche Hand darf dabei keine Mondpreise zahlen. Daher sollten sich die Kaufpreise nicht länger am Verkehrswert, sondern an einem sozialverträglichen Ertragswert orientieren. Darüber hinaus können private Investoren mit städtebaulichen Verträgen gezwungen werden, sich an den kommunalen Kosten der Baulandbereitstellung zu beteiligen und in festgelegtem Umfang bezahlbaren Wohnraum anzubieten. In München und Münster ist das gängige Praxis.
Öffentliches Eigentum an Grund und Boden spielt für eine soziale Stadtentwicklung eine zentrale Rolle. Mit Hilfe einer strategischen Bodenbevorratung kann das öffentliche Grundeigentum erweitert werden. Die Stadt Ulm hat die Bodenspekulanten vor 125 Jahren mit einer solchen Politik aus der Stadt vertrieben. Ulm besitzt heute noch knapp ein Drittel des Bodens seines Stadtgebietes und kann so den Wohnungsmarkt sozialer steuern. Mit Hilfe eines bundesweiten Boden- und Infrastrukturfonds könnten auch andere Städte und Gemeinden dem Ulmer Beispiel folgen. Zudem muss der Verkauf öffentlichen Grund und Bodens gestoppt werden.
Darüber hinaus lassen sich steigende Bodenwerte auch steuerlich abschöpfen. Mit einer Bodenwertzuwachssteuer könnten leistungslose Wertzuwächse abgeschöpft, die Spekulation mit brachliegenden Grundstücken eingedämmt und der Wohnungsbau angekurbelt werden. Ferner sollte die Spekulationsfrist abgeschafft werden. Wer nach zehn Jahren Grundstücke verkauft, sollte seine Gewinne künftig wieder versteuern müssen. Bodenpolitik kann also viel zur Lösung der Wohnungsfrage beitragen.
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