Samstag, 24. August 2013

Zündende Idee bei Weltbildplus: "Feuer unterm Hintern"


Die Filialkette Weltbildplus/Jokers kämpft seit Jahren mit sinkenden Umsätzen und steigenden Mieten. 2009 holte die Geschäftsführung unter Stefan Höllermann zum Befreiungsschlag aus und setzte gleichsam über Nacht 322 MitarbeiterInnen auf die Straße.

Wie führt man eine erfolgreiche Buchhandlung?
Die Beseitigung des beratenden Personals sorgte überraschender Weise nicht für mehr Umsatz in den Buchhandlungen. Also zentralisierte man die Titelauswahl für Weltbildplus und die Jokers-Filialen in Augsburg und arbeitet in den Läden heute überwiegend mit Aushilfen. Die KollegInnen haben wenig Mitspracherecht bei den Titeln, die sie den KundInnen vor Ort anbieten. Regale einräumen und abkassieren, das reicht nach Ansicht der Geschäftsführung für die erfolgreiche Führung einer Buchhandlung aus.

"Wie machen einen Bestseller"
Oder doch nicht? Kürzlich hat das verbliebene Rest-Personal Verkaufsschulungen absolvieren müssen und gelernt, wie Spitzentitel mit Macht an den Leser bzw. die Leserin gebracht werden. Um einen Anreiz zu geben, hat man die Druckverkaufe mit einem pfiffigen Wettbewerb "Wir machen einen Bestseller" verbunden.

Damit wurde zumindest der Ehrgeiz der sogenannten "RegionalleiterInnen" geweckt, die mit Adlerblick und Taschenrechner darüber wachen, dass "ihre" Filialen" bei dem Wettbewerb gut abschneiden. Und wenn die "Bestseller" keine werden wollen? Dann wird der Druck eine Ebene tiefer an die "BezirksleiterInnen" weitergereicht, die ihrerseits Druck auf die MitarbeiterInnen machen sollen.

So motiviert man MitarbeiterInnen
Wie man das macht? Dazu lesen Sie am besten dieses E-Mail, das eine Regionalleiterin an ihre BezirksleiterInnen geschrieben hat, um die KollegInnen zu Spitzenleistungen zu motivieren. Uns hat die Stelle am besten gefallen, an der die Führungskraft mit Abbruch ihres Urlaubs droht, denn "Jetzt ist Schluss mit Lustig":

Hallo liebe Bezirksleiter,
Frau … hat Ihnen heute die aktuelle "Wir machen einen Bestseller"Auswertung gemailt. 
Sicher im Gesamtvolumen ein Grund zur Freude, da in 9 Tagen fast schon das Umsatzvolumen anderer Aktionsmonate erreicht wird, die Einzelbetrachtung sieht aber für mich ganz, ganz anders aus. 
Bitte beschäftigen Sie Sich detailliert mit den Ergebnissen in Ihrem Bezirk. Es gibt nach wie vor Filialen die nicht mal ein Exemplar pro Tag verkaufen. ( Kopfschütteln) 
Hier findet kein aktives Verkaufen statt, hier werden die Kunden nicht angesprochen, hier war Ihre Schulung zum Thema Kundenansprache und aktives Verkaufen völlig wirkungslos. Diese Verkaufszahlen erreicht die Filiale einfach nur durch die Präsentation des Titels irgendwo im Laden. 
Ehrlich gesagt bin ich von den Filialen mit Abverkäufen unter 9 Exemplaren enttäuscht, 0 Verkäufe ( 7 Filialen ) machen mich fassungslos. Was ist mit dem Versprechen alles wird gut sobald wir unseren Wunschtitel anbieten dürfen? 
Spricht man hier nicht mit dem Kunden?
Haben die Mitarbeiter Angst?
Hat die Filiale keine Umsatzprobleme?
Interessiert sich hier keiner für den Wettbewerb?
Haben die Mitarbeiter den Arbeitsauftrag verstanden?
Warum ignorieren die Mitarbeiter Ihre Anweisungen? 
Wenn wir uns nicht Ende des Monats anhören wollen, dass der Norden im Gegensatz zum Süden das Thema weder ernst nimmt noch in der Lage ist gescheit ans Laufen zu bringen, muss jetzt sofort etwas geschehen. Der Countdown bis zum Monatsende läuft bereits. 
Sie kennen mich gut genug um zu wissen das Druck nicht mein bevorzugter Führungsstil ist und ich immer für eine andere Wahl der Mittel bin, in diesem aktuellen Fall scheinen gute Worte, Überzeugungsarbeit und Schulung aber nicht das geringste zu helfen. 
Jetzt ist Schluss mit Lustig, machen Sie Ihren Filialen mal "Feuer unterm Hintern", (wie immer freundlich und korrekt aber unmissverständlich). Die Region Nord wird trotz Landau in diesem Monat besser als der Süden abschneiden, sonst komme ich vorzeitig aus dem Urlaub zurück. 
Bitte kontakten Sie schnellstmöglich jede Ihrer Filiale persönlich und konfrontieren Sie mit Ihrem Zwischenergebnis, vereinbaren Sie konkrete Maßnahmen was ab sofort zu tun ist. 
Melden Sie mir bis Ende dieser Woche ob Sie jede Filiale erreicht haben. 
Ab dem 15.07  möchte ich beim Kaffee in Lissabon sitzend ganz fest überzeugt sein, dass wir Bestseller machen. 
@ Die Bestände in einigen Filialen sind ebenfalls ein Graus
Soweit das Motivations-Mail der Vorgesetzten. Was meinen Sie? Nutzen Sie gern unsere Kommentar-Funktion.

4 Kommentare:

  1. Peinlich, Peinlich25. August 2013 um 11:40

    Der Untergang der Unternehmenskultur und Wertschäzung gegenüber den Mitarbeitern schreitet seit geraumer Zeit in rasantem Tempo voran. Die Geschäftsführung bei WBplus potenziert dies durch pseudo-autoritäres Gehabe. Unser Augsburg steht daneben und greift nicht ein. Ein Armutszeugnis für ein "CHRISTLICHES" Unternehmen. Die mail der Vorgesetzten zeigt, dass über eigene Verfehlungen (massenweise Unverkäufliches in den Filialen, aufgestapelt zu mit dem Millimetermaß ausgerichteten Türmchen) hinweggetäuscht werden soll. Peinlich, peinlich. Gut, dass es im Unternehmen Betriebsräte gibt, die den Herren ganz genau auf die Finger schauen.

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  2. Lieber Herr Halff, wollen Sie nicht mal eingreifen? Diese Discountermentalität, die derzeit in den Filialen vorliegt, gefärdet das ganze Unternehmen... Der Kunde trennt gedanklich nicht zwischen Verlagsgruppe/Filialen. Ebenso wie der Verlag durch seine homophoben Aktionen die Kunden aus den Läden vertreibt, vertreiben die Schikanen der Vorgesetzten in den Filialen nun die Bestell-Kunden-. Können wir uns das in der derzeitigen Situation leisten... ??? Hier stehen Tausende von Arbeitsplätzen auf dem Spiel, und sie stehen daneben und schauen unbeeindruckt zu...

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  3. So etwas kennt man nur von Schlecker, LIDL und Co. Das ist des Buchhandels nicht würdig.

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  4. Das Mail wurde dem vorsitzenden Geschäftsführer Carel Halff zur Kenntnis gebracht, der auch Stellung nahm:

    "Ich sehe, dass der Tonfall, der in Frau [Name gelöscht] Mail mitschwingt, nur von einem direkten Adressaten-Kreis verstanden werden kann. Er ist für andere Mitarbeiter schlichtweg missverständlich. Das Mail war aber auch nie für eine andere Gruppe als die der Bezirksleiterinnen und Bezirksleiter bestimmt."

    Sind wir "anderen Mitarbeiter" zu blöd, um das zu kapieren, oder will die GF uns verar… ?!

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