Freitag, 10. Juli 2015

GF Hofmann: AT-Beschäftigte sollen auf Gehalt verzichten


Walter Droege will WELTBILD bereits Anfang nächsten Jahres wieder in der Gewinnzone sehen. In seinem Auftrag versucht Geschäftsführer Patrick Hofmann jetzt, den außertariflich bezahlten Angestellten der Retail in die Tasche zu greifen. Deren persönliche Zielerreichungsprämie soll nachträglich für das zurückliegende Geschäftsjahr pauschal um 50% gekürzt werden.

Zur Erklärung: Das Gehalt der Außertariflichen (AT) setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen: 1. erhalten diese ein frei verhandeltes Monatsgehalt, das bei vielen nur wenig über dem Monatsverdienst der KollegInnen in Tarifgruppe VI liegt. 2. bekommen sie am Ende des Geschäftsjahres (mit dem Juli-Gehalt) eine individuell vereinbarte Prämie. Ein Teil dieser Prämie ist abhängig vom Bilanzgewinn des Unternehmens, der 3. Teil wird auf der Basis von vorgegebenen persönlichen Zielen ausgezahlt, die am Anfang des Geschäftsjahres ausgehandelt wurden. Das ist die sogenannte Zielerreichungsprämie.

Ein Beispiel: Ein ATler mit einem Jahresgehalt von 55.000 Euro erhält monatlich 4.000 € brutto, aber kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Dafür erhält er am Geschäftsjahresende abhängig vom Grad der Zielerreichung bis zu 5.000 € Zielerreichungsprämie und möglicherweise einen bilanzabhängigen Bonus von 2.000 €.

In unserem Beispiel würden die 2.000 € aufgrund der aktuellen Ertragslage ohnehin entfallen und von den 5.000 € maximal 2.500 € vergütet werden. Weil aber im ersten Quartal des Geschäftsjahres noch wie in der Insolvenz pauschal 1/12 der Zielerreichungsprämie monatlich ausgezahlt wurde, hätte der Arbeitnehmer in unserem Beispiel bereits 1.250 erhalten. Es würden also nur noch weitere 1.250 € anstelle von 7.000 € ausgezahlt.

Gegen dieses Ansinnen gibt es viele gute Argumente

  • Es ist ungerecht, wenn ausschließlich ein – mit ca. 120 KollegInnen sehr kleiner – Teil der Belegschaft die überzogenen Gewinnerwartungen des Milliardärs Walter Droege befriedigen soll.
  • Die ATler haben schon lange Einbußen, weil der bilanzabhängige Teil ihrer Prämie seit Jahren nicht mehr ausbezahlt wird. Damit leisten sie bereits einen Beitrag, der ihrem Arbeitsvertrag entspricht.
  • Gehaltserhöhungen im AT-Bereich wurden über 10 Jahre lang ausschließlich durch die Erhöhung der leistungsabhängigen Gehaltsbestandteile realisiert. Durch die geplante Halbierung würden diese KollegInnen auf einen Schlag 7 bis 8 Jahre Gehaltsentwicklung verlieren.
  • Die KollegInnen im niedrigen AT-Bereich – und das ist die Mehrzahl – könnten durch diese Maßnahme unterhalb der Tarifgrenze landen. Aber sie erhalten weiterhin kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld und bekommen Überstunden nicht bezahlt. Auch das ist ungerecht.
  • Es ist unverschämt, im Vorfeld von geplanten Massenentlassungen einen "Solidarbeitrag" von Menschen zu verlangen, die möglicherweise ein paar Wochen später auf die Straße gesetzt werden.
  • Ein Gehaltsverzicht zum jetzigen Zeitpunkt wirkt direkt negativ auf die Höhe des Arbeitslosengeldes und des Transferkurzarbeiter-Gelds, das in einer Transfergesellschaft bezahlt würde.

Vor allem aber gibt es keinerlei Rechtsgrundlage für dieses Vorgehen. Das weiß auch die Geschäftsführung und fordert deshalb einen "freiwilligen" Verzicht. Wer sich dem Diktat aus Düsseldorf nicht beugen will, kriegt Druck: "Wer dagegen klagt, dessen Arbeitsleistung muss kritisch hinterfragt werden!", kündigte Geschäftsführer Patrick Hofmann an.

In der vergangenen Woche versuchte Hofmann allen Ernstes den Betriebsrat für ein gemeinsames Vorgehen in dieser Sache zu gewinnen. Der BR hat sofort reagiert und einen einstimmigen Beschluss gefasst, welcher der Geschäftsführung ein einseitiges Vorgehen untersagt. Gemäß § 87 Absatz 1 Ziffer 10 BetrVG ist der Betriebsrat in der Mitbestimmung, wenn es um »Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung« geht.

Weder der BR noch die ver.di lassen sich vor den Karren des Arbeitgebers spannen, wenn es gegen die Interessen der Beschäftigten geht – egal welcher Einkommensklasse die KollegInnen angehören!

Nach den Erfahrungen der letzten Monate müssen wir aber davon ausgehen, dass der Arbeitgeber dieses Mitbestimmungsrecht ignoriert oder zu umgehen versucht. Deshalb bleibt den Betroffenen am Ende möglicherweise nur der individualrechtliche Weg über das Arbeitsgericht, um an das ihnen zustehende Geld zu kommen. Mitglieder der ver.di werden dabei durch AnwältInnen der Gewerkschaft vertreten. Alle anderen haben hoffentlich eine gute Rechtsschutzversicherung oder Rücklagen, um einen möglicherweise teuren Prozess zu führen.

11 Kommentare:

  1. Dann wird es wohl nicht mehr lange dauern bis Hr Hoffmann die Tarife u Löhne vom Fußvolk hinterfragt.
    Im Arbeigeber Verband ist Also wohl auch nicht...

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  2. Soll sich doch unser Dreigestirn selber deren Entgelt um die Hälfte kürzen. Da wird richtig Geld freigesetzt.

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  3. Ich finde es super, dass sich der Betriebsrat auf für die ATler einsetzt. Aber die Höhe von Gehälter offen zu kommunizieren, finde ich nicht so gut.

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    1. Warum sollte sich der BR nicht für die ATler einsetzen? BR ist BR für die Mitarbeiter und nicht Verdi, oder verstehe ich da was falsch?

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    2. Das ist doch kein Widerspruch. Ich z. B. bin AT und vier.di-Mitglied – aus Überzeugung. Und natürlich erwarte ich, dass sich meine Gewerkschaft für meine Interessen einsetzt. Tut sie auch: Die Rechtsvertretung habe ich schon zugesagt bekommen, falls Droege mir wirklich aus Gehalt geht. Und der BR ist sowieso für alle WB/ALSO-Angestellten zuständig, egal welche Gehaltsklasse. Macht er offensichtlich auch, sonst wäre die geplante Sauerei gar nicht öffentlich geworden. Weiter so!

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  4. Das ist ja eigentlich unglaublich. Ein ungefragter Solidaritätsbeitrag für die leidende Weltbild Retail. Da werden doch einfach bestehende Arbeitsverträge einseitig umgedeutet. Der eigentliche Hammer ist aber die Aussage, dass bei Kollegen, die sich dagegen wehren, die Arbeitsleistung kritisch hinterfragt wird. Im Umkehrschluss heißt das doch wohl, das die Hinterfragung bisher nicht stattgefunden hat. Das Gehalt ist einfach so ausgezahlt worden. Passt scho. Da hilft vielleicht doch nur der Gang zum Rechtsanwalt, vielleicht mit einer Massenklage, wenn das überhaupt möglich ist. Prima, dass der BR sich auch für die ATLer einsetzt!

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  5. Ich frage mich immer mehr, an was für Leute wir da verkauft wurden.
    Versprechen und Verträge werden gebrochen, es werden Strohmänner eingesetzt, um unerwünschte Filialen ohne Abfindungen loswerden zu können und das Motto ist: "was kümmert mich mein Geschwätz von gestern ?".
    Jetzt macht man den ATlern ein "Angebot", welches sie nicht ablehnen (können sollen).
    Wer kennt den Film "Der Pate" ?
    Kommen als nächstes die Schlägertrupps ?
    Woher hat Herr Droege nochmal sein Geld ?
    Das wird schon langsam ein Fall für den Staatsanwalt...
    Wenn gültige Arbeitsverträge einfach rückwirkend gebrochen werden sollen, wird es allerhöchste Zeit, sich zu organisieren und zusammen mit der Gewerkschaft als Gruppe Widerstand zu leisten !

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  6. Anscheinend haben wir immer noch nicht genug Mitarbeiter vergrault ?
    Und die Motivation ist wohl auch noch zu gut ?
    Die sind wohl erst zufrieden, wenn nur noch der Name Weltbild übrig ist und der wird dann meistbietend verkauft.

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  7. Leute! Schließt Euch endlich zusammen und kämpft um Eure Arbeitsplätze. Jeder schaut nur auf seinen Teller und duckt sich. Geht zu den Vertrauensleuten! Geht zu Verdi !
    Erst wenn der letzte Arbeitsplatz weg ist werden alle merken dass es zu spät ist!

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  8. Wann hat denn die GF vor, mit den betroffenen ATLern zu sprechen? Jetzt liest man die Meldung hier im blog - ich kenne aber niemanden, der etwas Offizielles vom Vorgesetzten gehört hat. Oder ist das nur ein großes Geklapper vor dem ersten Einigungstermin und der Plan löst sich in Wohlgefallen auf? PS: Das wäre übrigens mal eine Bemerkung seitens der GF in den großen "Wo wir stehen"-Runden gewesen, die für Diskussion gesorgt hätte.

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  9. Tut sich da jetzt was, oder hat sich die GF rechtlich schlau gemacht und den juristischen Tipp bekommen, von dieser Aktion die Finger zu lassen? Bin gespannt, was daraus wird. Da gibt es doch bestimmt auch fristen, bis wann die Prämien ausgezahlt werden müssten, oder?

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