Seit 2003 gelten bei Weltbild offiziell "Unternehmensleitlinien". Wir hinterfragen in einer kleinen Serie, ob diese Leitlinien das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben wurden. Den ersten Teil unserer Serie können sie
hier nachlesen und kommentieren.
§2: Unsere Kunden
Unsere Zielgruppe ist das breite Publikum. Wir orientieren uns hierbei besonders an dem Bedarf und den Erwartungen von jungen Familien mit Kindern, ohne dabei andere Gruppen wie Senioren oder Singlehaushalte auszuschließen.
Wir meinen:
Die Aussage ist so ungenau wie das derzeitige Weltbild-Programm austauschbar. Blättern wir doch einmal gemeinsam durch den aktuellen Katalog: Auf den ersten Seiten der gefühlte 100 - 110. Aufguss der "Wanderhure" und ihre Epigonen. Dann folgen auf eine Strecke mit leichter und leichtester Unterhaltungsliteratur familienfreundliche Thriller wie "Der Tod kommt wie gerufen", "Leichenraub" und "Der Kruzifix-Killer". Weiter geht es mit Fantasy ("Die Orks – Blutnacht") und Vampir-Geschichten ("Biss I - IV"), an die sich Heimatromane anschließen. Über eine kurze Sachbuch-Strecke geht es zu Kochbüchern und Gesundheitsratgebern, es folgt wiederum Sachbuch, ein paar Schnäppchen-Seiten und schließlich eine kleine "Kinderecke".
In der Katalogmitte verabschiedet sich das Buch und macht Platz für Kalender, Kleinmöbel, allerlei nützliche Helferlein, Dekoartikel und Heimwerkerbedarf. Neues Highlight auf den Seiten 180/181: Weltbild-Wurstwaren. Der Katalog endet mit Computerspielen, DVDs und Musik-CDs.
Unser Fazit:
Beim Versuch es allen und jedem recht zu machen, bietet Weltbild ein buntes Sammelsurium feil. §2 der Unternehmensleitlinien wird damit eingelöst. Eine echte programmatische Idee können wir zwischen Wanderhuren und Wurstwaren allerdings nicht erkennen. Vor dem Hintergrund spektakulärer Pleiten großer Universalversender (Quelle) stellt sich uns auch die Frage, ob diese Strategie wirklich Erfolg versprechend sein kann oder mittelfristig zum Verlust weiterer Arbeitsplätze führen wird.
Bedenklich finden wir auch die neuen Angebote zur Ratenzahlung. Während Schuldnerberatungen beklagen, dass gerade junge Familien und untere Einkommensschichten durch immer neue und nur vorgeblich günstige Kreditangebote in den finanziellen Crash gelockt werden, bietet Weltbild bereits ab 54,- Euro die Ratenzahlung an. Und das zu einem Zinssatz, der mit einem effektiven Jahreszins von 14,99% deutlich über den Dispokonditionen der Sparkassen liegt. Ist es moralisch zu verantworten, Menschen zum Kauf von Bauch-Weg-Trainern und Geld-Zähl-Maschinen (Katalogrückseite, 29,99 Euro) zu verführen, die sich diese Dinge ganz offenbar nicht leisten können? Das ist eine Frage, die vielleicht am besten die Sozialdienste der Kirche beantworten können, die Betroffene hinterher aus der Schuldenfalle befreien dürfen.