Ein weiterer interessanter Vortrag auf der BR-Konferenz (wir berichteten) kam von Johann Rösch: Er schilderte die Arbeitsbedingungen in Bangladesch. Vor dort stammt der überwiegende Teil der in Deutschland zu Schnäppchenpreisen vertriebenen Textilien.
Bangladeschs exportierende Bekleidungsindustrie ist noch sehr jung und entstand im Rahmen der wirtschaftlichen Globalisierung in den 70er Jahren. Angestoßen durch die Vorgaben globaler Finanzinstitutionen (IWF, Weltbank etc.)
In dieser Industrie, die vor dreißig Jahren in Bangladesch praktisch noch nicht existierte, arbeiten heute ca. zwei Millionen Mädchen und Frauen. In der Regel im Alter zwischen 15 und 25.
Obwohl schon seit vielen Jahren Gegenstand internationaler Beobachtung, sind in den Fabriken der Bekleidungsindustrie die Arbeitsbedingungen immer noch erschreckend schlecht. Trotz Beteuerungen von Fabrikbesitzern, Arbeitgeberverbänden oder Käuferunternehmen.
Die Armutslöhne (ca. 30 Euro im Monat) lassen ein Leben in Würde nicht zu. Hinzu kommen die verbalen und physischen Angriffe auf die Mädchen und Frauen von den Aufsehern und dem Management.
Frauen werden geschlagen und vergewaltigt
Wenn sie "Fehler" machen oder die viel zu hohen Produktionsziele nicht erreichen, werden sie häufig beschimpft und manchmal auch geschlagen. Auch sexuelle Übergriffe kommen immer wieder vor. Arbeitstage von 14 und mehr Stunden, lassen kaum Zeit für familiäre, soziale oder politische Aktivitäten. Die Frauen unterliegen der ständigen Bedrohung des Arbeitsplatzverlustes, wenn sie sich weigern Überstunden zu machen, die immer kurzfristig festgelegt werden.
Die Frauen kommen aus ärmlichen Familien und haben daher ständig Angst ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Trotz des niedrigen Lohns, der oft zu spät kommt und mit dem Überstunden einfach nicht vergütet werden, sind sie auf dieses Einkommen angewiesen.
Man könnte noch ewig so weiterschreiben, um die unzumutbaren menschenunwürdigen Umstände zu beschreiben. Weitere Informationen finden Sie auf den entsprechenden Seiten von ver.di und beim
Internationalen Bildungswerk "tie".
Gemeinsamer Wirderstand: Gewerkschaften in Bangladesch
Umso erstaunlicher ist, dass es Frauen in Bangladesh gibt, die sich gewerkschaftlich organisieren und sich wehren. Jede von ihnen muss immer damit rechnen, entlassen zu werden. Misshandlungen sind ebenfalls an der Tagesordnung, wenn sie bei gewerkschaftlichen Aktivitäten erwischt werden.
Die 1984 gegründete NGWF ist ein unabhängiger, registrierter Gewerkschaftsverband, der landesweit aktiv ist. Ihm gehören 23.000 Mitglieder; davon 13.200 Frauen an. Seit Gründung war die NGWF an allen größeren Bewegungen der ArbeiterIinnen in der Bekleidungsindustrie beteiligt.
Die Ziele sind Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Stärkung der Frauen in der Gewerkschaftsbewegung. Neben den gewerkschaftlichen Aktivitäten, setzen sie sich für den gesellschaftlichen Wandel in Bangladesch ein.
Die Frauen wollen kein Mitleid und keine Almosen. Sie brauchen unsere Solidarität und Hilfe beim Ausbau von Gewerkschaften. Dazu ist es nötig, die Einkäufer immer wieder aufzufordern, nicht nur eine Absichtserklärung abzugeben. Sie müssen sich ihrer Verantwortung endlich bewusst werden und für einen menschenwürdige Behandlung der Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie in Bangladesch sorgen.
Solidaritätsbewegung im Handel
ExChains ist ein internationales Solidaritätsprojekt zwischen Beschäftigten entlang der Textil-, Bekleidungs- und Einzelhandelskette. Im November 2011 unternahm eine Gruppe von Betriebsrätinnen aus dem Bekleidungseinzelhandel (Zara, H&M, real/Metro) im Rahmen des ExChains-Projektes eine Reise nach Bangladesch. Mit dabei: Johann Rösch vom ver.di- Bundesfachbereich Handel und Heiner Köhnen vom Internationalen Bildungswerk tie.
Ziel war es, direkt vor Ort die Arbeits- und Lebensbedingungen der
Menschen kennen zu lernen. Die Frauen, die unsere Kleidung herstellen,
die wir täglich tragen. Einen ausführlichen Bericht können Sie hier nachlesen.
"Wir waren auf schlimme Eindrücke gefasst, aber die Realität war noch um eine vielfaches erdrückender" (Zitat Johann Rösch)
Bei ExChains geht es übrigens nicht darum, die Fabriken zu schließen. Arbeitsbedingungen und Bezahlung müssen sich so verändern, dass der Ausbeutung von Menschen ein Riegel vorgeschoben wird.
Gewerkschaftliche Aktivitäten müssen zugelassen werden, damit sich die Frauen für ihre Belange selbst einsetzen können.
Wir als Endverbraucher sollten genau hinschauen. Vielleicht auch mal ein Mail an die Textileinkäufer von z.B. H&M, Zara, Aldi, Lidl… schicken und sie auffordern für bessere Bedingungen in Bangladesch zu sorgen.
Letztendlich müssen wir uns auch fragen, ob alle Schnäppchen sozial vertretbar sind, oder ob wir auch bereit wären, ein paar Euro mehr auszugeben, damit sich die Lebenssituation für die Näherinnen in Bangladesch verbessert.