Mittwoch, 31. August 2011

Arbeitsrecht: Kündigung wegen Krankheit?



Fällt ein Arbeitnehmer aufgrund einer Erkrankung langfristig oder häufiger aus, stellt sich für ihn die Frage, ob er die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses befürchten muss.

Kann der Arbeitgeber während einer Krankheit des Arbeitnehmers kündigen?
Es besteht die weit verbreitete Meinung, dass während einer Erkrankung nicht gekündigt werden darf. Im Gegensatz zu anderslautenden Regelungen in einigen EU-Staaten ist jedoch in Deutschland eine Kündigung während einer Krankheit möglich, sofern nicht gegen das allgemeine Kündigungsschutzgesetz (KSchG) oder gegen besondere kündigungsschutzrechtliche Bestimmungen (z.B. für Schwangere, Eltern in Elternzeit oder Betriebsratsmitglieder) verstoßen wird.

Wann ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar?
Das Kündigungsschutzgesetz ist anwendbar, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen länger als sechs Monate bestanden hat und dort in der Regel mehr als zehn Personen in Vollzeit beschäftigt sind. Danach ist eine Kündigung nur aus personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen zulässig.

Wann ist eine Kündigung wegen Krankheit nach dem Kündigungsschutzgesetz zulässig?
Eine Kündigung wegen Krankheit ist ein Unterfall einer personenbedingten Kündigung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist deren Zulässigkeit in drei Stufen zu prüfen.

1. Stufe: „Negative Gesundheitsprognose“
Im Rahmen einer ersten Stufe ist abzuklären, ob zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose getroffen werden kann, dass auch in Zukunft mit weiteren Erkrankungen in dem bisherigen Umfang zu rechnen ist (sog. "negative Gesundheitsprognose").

2. Stufe: „Erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen“
Aufgrund der negativen Gesundheitsprognose muss die Besorgnis bestehen, dass die zu erwartenden Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers führen werden.
3. Stufe: „Interessenabwägung“

Schließlich ist zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen dem Arbeitgeber nach einer Abwägung mit den Interessen des Arbeitnehmers zumutbar sind.

Wann besteht eine negative Gesundheitsprognose?
Bei häufigen Kurzerkrankungen bieten die Krankheitszeiten in den vergangenen zwei Jahren ein Indiz für weitere Fehlzeiten in der Zukunft. Stellt sich heraus, dass der Arbeitgeber in den letzen 24 Monaten vor der Kündigung pro Jahr mehr als sechs Wochen Lohnfortzahlung leisten musste, kann daraus geschlossen werden, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft in einem ähnlichen zeitlichen Umfang fehlen wird. Das bedeutet jedoch nicht, dass sämtliche Fehlzeiten in diese Berechnung mit einbezogen werden.

Kann der Arbeitnehmer nämlich nachweisen, dass die einzelnen Erkrankungen unterschiedliche Ursachen haben und zum Beispiel auf einem einmaligen Vorfall (z.B. Unfall, schwangerschaftsbedingte Fehlzeiten) beruhen oder ausgeheilt sind, werden die daraus resultierenden Fehlzeiten nicht eingerechnet.

Beispiel: Die Sekretärin S hat im Jahr 2010 an 50 Tagen gefehlt. Im Februar 2010 ist sie auf Glatteis ausgerutscht und hat sich einen Arm gebrochen. Deswegen war sie für 30 Tage krank geschrieben. An weiteren zehn Tagen war sie wegen einer Lungenentzündung aufgrund einer verschleppten Erkältung arbeitsunfähig. An drei Tagen fiel sie wegen Übelkeit und Erbrechen aus. Schließlich konnte sie an sieben Tagen aufgrund von Rückenproblemen nicht arbeiten.
Im Jahr 2011 hat sie 48 Tage gefehlt. Davon war sie 10 Tage wegen eines Schleudertraumas krankgeschrieben. Sie hatte auf dem Weg zur Arbeit schuldlos einen Autounfall erlitten. Weitere 10 Tage ist sie wegen einer starken Bronchitis ausgefallen. Weitere 28 Tage war sie aufgrund von Depressionen wegen eines Trauerfalls in der Familie krank. Hiervon hat sie sich aber wieder erholt.

Die zuvor beschriebenen Krankheitszeiten reichen für eine negative Gesundheitsprognose nicht aus, obwohl die Lohnfortzahlungszeiträume von sechs Wochen überschritten worden sind. Die einzelnen Erkrankungen beruhen zum Teil auf einmaligen Vorfällen (Armbruch, Schleudertrauma) oder sind ausgeheilt (z.B. Lungenentzündung, Depression). Diese Zeiten sind nicht mit einzurechnen.

Anders sieht es aus, wenn der Arbeitnehmer auf Dauer arbeitsunfähig ist und mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr gerechnet werden kann. In einem solchen Fall ist eine negative Gesundheitsprognose stets möglich.

Dagegen ist die Beurteilung bei einer lang andauernden Erkrankung, bei welcher der Zeitpunkt der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit noch nicht feststeht, schwierig. Das Bundesarbeitsgericht hat eine Faustregel aufgestellt, wonach eine negative Gesundheitsprognose angenommen werden kann, wenn innerhalb der nächsten 24 Monate mit einer Genesung nicht zu rechnen ist. In der Praxis ist das allerdings kaum nachweisbar, da sich ein Arzt in der Regel nicht auf einen Zeitraum von 24 Monaten in der Zukunft festlegen wird.

Wann sind die betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen erheblich beeinträchtigt?
Betriebliche Interessen sind bei einer Störung des Betriebsablaufs wie zum Beispiel bei einem Stillstand von Maschinen, bei der Überlastung der Belegschaft, bei einem Abzug von Personal aus anderen Bereichen, bei ständiger Einarbeitung von Aushilfskräften etc. beeinträchtigt. Eine wirtschaftliche Beeinträchtigung kann insbesondere bei erheblichen Lohnfortzahlungskosten oder bei einem Umsatzrückgang vorliegen. Rechtlich noch nicht abschließend geklärt ist, ob die im Zusammenhang mit einer krankheitsbedingten Kündigung zu erwartenden Kosten für die Abgeltung von Urlaubsansprüchen darunter fallen.

Was ist bei einer Interessenabwägung zu berücksichtigen?
Die Kündigung darf immer nur das letzte Mittel darstellen. Der Arbeitgeber muss deshalb erst mildere Mittel prüfen. Kann der Arbeitnehmer z.B. auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden, ist eine Kündigung in der Regel nicht angemessen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann auch die fehlende oder nicht ordnungsgemäße Durchführung eine betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements („BEM“) dazu führen, dass eine Kündigung unverhältnismäßig ist.

Zugunsten des Arbeitnehmers sind bei der Interessenabwägung insbesondere sein Alter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Krankheitsursachen, der Familienstand, eine etwaige Schwerbehinderung und Unterhaltspflichten zu berücksichtigen.

Bei einer dauernden Arbeitsunfähigkeit kann die Arbeitsleistung in Zukunft nicht mehr erbracht werden. Eine Interessenabwägung fällt dann in der Regel zugunsten des Arbeitgebers aus. In solchen Fällen sind krankheitsbedingte Kündigungen zumeist gerechtfertigt.

Was kann der Arbeitnehmer gegen die Kündigung unternehmen?
Bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Kündigung, sollte sich der Arbeitnehmer Rat bei seiner Gewerkschaft oder bei einem Anwalt einholen. Gegen die Kündigung kann er sich innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung mit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht wehren.

Wenn Sie Fragen oder Befürchtungen in diesem Zusammenhang haben sollten, wenden Sie sich an Ihren Betriebsrat oder die Schwerbehinderten-Vertretung. Gewerkschaftsmitglieder können außerdem die Rechtsvertretung durch ver.di nutzen.

Montag, 29. August 2011

BR fordert Betriebsvereinbarung Leiharbeit: Jetzt Nägel mit Köpfen machen!



Übernahmen sind schön und gut, aber sporadische Aktionen sind nicht ausreichend. Das Ziel des Betriebsrats ist eine ordentliche Betriebsvereinbarung zur Leiharbeit. Der Ausschuss "Leiharbeit" hat der Geschäftsleitung einen Entwurf vorgelegt. Jetzt wird verhandelt.

Hier einige zentrale Punkte, die in der Betriebsvereinbarung geregelt werden sollen: Festgelegt soll z. B. werden, wieviel Leiharbeiter maximal bei Weltbild eingesetzt werden dürfen. Leiharbeit soll wieder zu dem werden, wofür es ursprünglich gedacht war: Zum Einsatz bei unvorhersehbaren Spitzen und als Ersatz für Langzeitkranke. Und das in einem planbaren Rahmen.

Es gibt genügend andere Möglichkeiten, Arbeiter flexibel einzusetzen, wie etwa Aushilfen oder Ferienjobs. Schließlich haben vor 15 bis 20 Jahren die Aushilfen tatkräftig mitgeholfen, die Firma zu dem zu machen, was sie heute ist.

Gute Arbeit muss auch entsprechend bezahlt werden. Und Übernahmen sollen fest geregelt werden.
Gerade im Hinblick auf Amazon in Graben brauchen wir für das nächste, anstehende Weihnachtsgeschäft wieder genügend Personal. Aber keine unterbezahlten Leiharbeiter, schließlich ist Weihnachten planbar – damit jeder Kunde am 24. Dezember sein Päckchen hat.

Freitag, 26. August 2011

DGB: "Der Staat subventioniert Lohndumping."


Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Nach einer Sonderauswertung von Daten der BA (Bundesanstalt für Arbeit) kommt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zu dem Schluss, dass im Arbeitsamtsbezirk Augsburg Leiharbeitskräfte in Vollzeit Ende 2009 im Schnitt 40%  weniger verdient haben als andere Vollzeitbeschäftige.

Für Helmut Jung, Regionsvorsitzender des DGB (Augsburg), ist Leiharbeit – unabhängig vom Qualifikationsniveau – ein ausgeprägter Niedriglohnsektor, »bei dem der Staat Lohndumping und nicht Existenz sicherndes Arbeitseinkommen oftmals über Hartz IV oder andere Sozialleistungen wie Wohngeld (indirekt) subventionieren muss«. 

In keiner anderen Branche sei das Armutsrisiko trotz Erwerbstätigkeit so groß wie in der Leiharbeit, so Jung. Er sieht die Neuordnung der Leiharbeit mit den Hartz-Gesetzen als »gründlich gescheitert« an. Nach Auffassung des DGB sei diese Situation auch nicht mit einer EU-Richtlinie vereinbar, die bis zum Jahresende in deutsches Recht umgesetzt werden müsse, so Jung. 

Die Richtlinie verlange, dass auch bei einer tariflichen Abweichung der Gesamtschutz der Leiharbeiter gewahrt werden müsse. »Angesichts dieser Daten kann davon in Deutschland jedoch keine Rede sein. Vielmehr wird das unternehmerische Risiko auf die Leiharbeitskräfte, die Sozialkassen und den Steuerzahler verlagert.«

Jung weist darauf hin, dass mittlerweile in 10 EU-Ländern die Gleichbehandlung der Leiharbeitskräfte ohne Ausnahme gelte: »In keinem EU-Land sind die Lohnunterschiede so hoch wie in Deutschland.«

Donnerstag, 25. August 2011

Kirchenvertreter fordert WELTBILD zum Handeln gegen Leiharbeit auf



Hans Gilg ist Pastoralreferent und Mitarbeiter der Katholischen Betriebsseelsorge im Raum Augsburg. Auf der jüngsten Weltbild-Betriebsversammlung hielt er einen Vortrag zum Thema Leiharbeit unter dem Titel "Die einen und die anderen … und wer schützt die anderen?". Hier Auszüge aus seiner engagierten Rede – klare Worte, die nachdenklich stimmen und immer noch nachwirken. 

Die einen arbeiten bei Weltbild, die anderen sagen, dass sie bei Weltbild arbeiten. Der Bekanntenkreis soll nicht wissen, dass sie Leiharbeiter sind. Die einen haben einen festen Arbeitsvertrag, die anderen auch – aber mit „Helmes“ und wie sie alle heißen. 
Die einen sind unter Personalkosten verbucht, die anderen unter Sachkosten oder ähnlichen Bezeichnungen. Die eine arbeitet als Verpackerin am Band, die andere auch – aber zu weniger Lohn. Die einen bekommen einen Mietvertrag, die anderen eine nette Absage – wenn sie sich als Leiharbeiter outen. 
Für die Zukunft planen?Die einen erhalten Kredit bei ihrer Bank, die anderen wieder eine höfliche Absage („Sie müssen schon verstehen, uns sind auch die Hände gebunden, aber wir brauchen natürlich Sicherheiten…“) Die einen können für die Zukunft planen, die anderen überlegen, von was sie gegen Ende des Monats leben sollen.
Die einen hoffen, dass sie einmal eine Rente bekommen, von der sie leben können, die anderen ahnen schon, dass im Alter nicht viel übrig bleibt, um würdig leben zu können. Die einen hoffen auf Leiharbeit als Sprungbrett in die Festanstellung, die anderen haben entmutigt aufgegeben, weil sie aus dieser Mühle seit vielen Jahren nicht mehr herausgekommen sind. 
Es ist gut, dass die einen diese Standards haben: Fester Arbeitsplatz, gerechter Lohn, Sozialleistungen usw. – das alles wurde in unserem Land über viele Jahrzehnte durch Gewerkschaften und mutige Frauen und Männer erkämpft und will den Wert der Arbeit sichtbar machen.
Arbeitsplätze 2., 3. und 4. Klasse
Es ist schlecht, dass wir in unserem Land durch die maßlose und gesetzlich schlecht geregelte Leiharbeit Arbeitsplätze 2., 3. und 4. Klasse geschaffen haben. Die einen haben gottseidank ihre Standards – und wer schützt die anderen?
Der Heilige Precarius Er ist nur ein virtueller Heiliger, den gibt es nicht im Heiligenkalender der Kirche. Aber unsere Kirche sagt auch, dass es neben den offiziellen Heiligen noch viele unbekannte, nicht genannte heilige Frauen und Männer gibt. Gerade für die steht Precarius: • für alle, die die Ungerechtigkeiten prekärer Arbeit aushalten müssen • für die Kolleginnen und Kollegen, die solidarisch mit euch sind, die euch Würde geben • für die Betriebsräte und Gewerkschafter, die Schritt für Schritt Leiharbeit verbessern • für alle verantwortlichen Menschen in den Betrieben und in der Politik, die daran arbeiten, dass Leiharbeit überflüssig wird. 
Gleicher Lohn für gleiche ArbeitIch wünsche mir, dass die Menschen bei Weltbild den gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen. Ich wünsche mir, dass Weltbild als kirchliches Unternehmen hierbei mit gutem Beispiel vorangeht.

Wie stehen Sie persönlich zum Thema Leiharbeit? Nutzen Sie die Möglichkeiten zur Diskussion in diesem Blog und hinterlassen Sie unten einen Kommentar zu diesem Beitrag.

Mittwoch, 24. August 2011

Leiharbeit schafft Unsicherheit: bei allen Beschäftigten


LeiharbeiterInnen sind ständig unter Druck: Angst um den Arbeitsplatz, ungerechte Löhne, miese Arbeitsbedingungen. Aber nicht nur sie leiden. Der massive Einsatz von LeiharbeiterInnen bei WELTBILD verunsichert zunehmend auch die KollegInnen der Stammbelegschaft. Wir haben einige typische Aussagen gesammelt:


Die Angst des Stammmitarbeiters: "Die (Leiharbeiter) arbeiten viel zu schnell; ich werde blöd angemacht, weil ich das nicht mehr schaffe. Ich arbeite hier schon 20 Jahre, meine Knochen machen das nicht mehr mit – und der ist eh nach ein paar Monaten wieder weg."

Die Situation des Leiharbeiters: "Ich versuche, so schnell und gut wie möglich zu arbeiten. Ich brauche den Job; ich will nicht wieder arbeitslos werden. Und ich will ja übernommen werden. Mein Gruppenleiter hat auch schon angedeutet, dass da eine kleine Chance besteht."

Stellungnahme des Betriebsrats: "Bei Weltbild gibt es keinen Akkord. Jeder soll so arbeiten wie er/sie kann. Eine Übernahme-Versprechen ist nur ein Versprechen, mehr nicht. Wieviel Übernahmen es bei Weltbild gab, lesen Sie in dem Artikel nebenan."

Die Frage des Angestellten: "Wir haben zur Zeit wenig Arbeit, das würde grad so für den Stamm ausreichen, um keine Minus-Stunden zu machen. Warum sind noch Leiharbeiter da?"

Die Sorge des Leiharbeiters: "Ich erwarte jeden Tag meine Kündigung von Helmes, weil es  hier grad nicht viel zu tun gibt. Und ob Helmes einen anderen Einsatz für mich hat, ist fraglich."

Der Betriebsrat: "Wir sehen hier ein großes Manko in der Arbeitszeitplanung sowie der Planung des Personaleinsatzes."

Der Stammmitarbeiter: "Mein Kollege ging in Rente. Es kam kein fester Ersatz, obwohl Arbeit da ist. Für den Kollegen wurde ein Leiharbeiter eingesetzt. Wann werde ich ersetzt?"

Der Leiharbeiter: "Ich bin arbeite jetzt wieder mal bei Weltbild. Ich weiß allerdings noch nicht einmal, wie lang diesmal mein Einsatz hier dauert."

Das will der Betriebsrat: "Darum ist es wichtig, mit der Geschäftsleitung eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, die u.a. die Ersetzung der Stammbelegschaft durch Leiharbeiter verhindert bzw. die Einsatzdauer der Leiharbeiter regelt."

Dienstag, 23. August 2011

Zahlen und Fakten: Leiharbeit bei WELTBILD


In Deutschland waren in Juni 2009, auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise, ca. 500.000 Leiharbeiter beschäftigt. Jetzt ist die Zahl auf rund 1 Million gestiegen. 

Auch bei Weltbild merkt man den Anstieg: Im Weihnachtsgeschäft 2009 waren bis zu 1.000 und im Weihnachtsgeschäft 2010 bis zu 1.600 Leiharbeiter im Hause. Die Mehrheit war im Lager/Versand eingesetzt. Das sind fast 300% der Stammbelegschaft in diesem Bereich. Kann man hier noch von saisonaler Unterstützung sprechen? 

Die Einsatzdauer der Leiharbeiter beträgt bei Weltbild im Schnitt 2 bis 3 Monate; manche sind nur ein paar Tage da, andere mehrere Jahre. 

Bundesweit sind 1/3 der Leiharbeiter als »Hilfskräfte« mit einem Stundenlohn von € 7,79 tätig. Bei Weltbild ist dieser Anteil weit größer, aber bezahlt wird nach BZA-Tarif, der nicht höher liegt. 

Maximal 10% aller Leiharbeiter werden übernommen. Bei Weltbild erhielten knapp 140 Leiharbeiter eine Festanstellung (Zeitraum: 4 Jahre). 

In der gleichen Zeit waren aber über 3.500 Leiharbeiter in unserem Haus beschäftigt – und werden jetzt bei Weltbild nicht mehr eingesetzt. 

Jeder achte Leiharbeiter erhält ergänzende Hartz-IV-Leistungen, 94 % der Betroffenen sind vollzeitbeschäftigt. Kosten im Jahr 2010 (für die Steuerzahler): 531 Mio €. 

Wieviele bei Weltbild eingesetzten Leiharbeiter auf Hartz-IV-Unterstützung angewiesen sind, wissen wir leider nicht. Wir gehen aber davon aus, dass der Anteil ähnlich ist, wie auf ganz Deutschland bezogen.

Montag, 22. August 2011

Fair statt prekär: Weltbild sollte mit gutem Beispiel vorangehen


Der Betriebsrat verhandelt jetzt mit der Geschäftsleitung eine Betriebsvereinbarung über den Einsatz von LeiharbeiterInnen. Der übermäßige Einsatz von Leiharbeit hat negative Auswirkungen auf alle Mitarbeiter im Unternehmen. 

Bis 1985 waren der sogenannten Zeitarbeit enge gesetzliche Grenzen gesetzt. LeiharbeiterInnen kamen ausschließlich als Vertretung oder im Rahmen von Projekten zum Einsatz – für maximal 3 Monate. 2003 fielen die letzten gesetzlichen Schranken: Dem Missbrauch von Leiharbeit ist seither Tür und Tor geöffnet.

Eine große Versuchung für Unternehmen. Gerade wenn sie im harten Wettbewerb stehen oder – wie Weltbild – ein stark saisonales Geschäft betreiben. Auch bei dem katholischen Unternehmen boomt die Leiharbeit: Vor Weihnachten sind dreimal soviele LeiharbeiterInnen wie Festangestellte im Versand tätig. Im kaufmännischen Bereich nimmt die Leiharbeit ebenfalls zu.

Das hat Folgen für die Stammbelegschaft: LeiharbeiterInnen haben extrem kurze Kündigungsfristen. Wenn sie einen festen Job finden, verlassen sie Weltbild von heute auf morgen. Möglicherweise genau dann, wenn die Einarbeitung gerade abgeschlossen ist. So wird die mangelnde Absicherung der einen zur Unsicherheit für die anderen.
Dazu bildet sich im Betrieb eine Zwei-Klassen-Gesellschaft – mit unabsehbaren Folgen für das Betriebsklima. Und mittelfristig drücken die miesen Stundenlöhne von unter 8 Euro auf die Gehälter der festangestellten KollegInnen.

Durch die elende Bezahlung belastet Leiharbeit zudem die Sozialkassen. Viele LeiharbeiterInnen beziehen trotz Vollzeitbeschäftigung Hartz IV. So zahlen am Ende die SteuerzahlerInnen den Lohn, den die Arbeitgeber einsparen.
Es gibt viele gute Gründe, Leiharbeit einzuschränken. Das sagen nicht nur die Gewerkschaften und Kirchen. Der Weltbild-Betriebsrat hat der Geschäftsführung in den letzten Jahren immer wieder Druck gemacht: Jetzt wurden zumindest einmal Verhandlungen aufgenommen. Die Vorstellungen der Parteien liegen allerdings noch sehr weit auseinander. 

Weitere Berichte zum Thema Leiharbeit folgen in Kürze.

Freitag, 19. August 2011

Das Wort zum Freitag: Auf und ab


»What goes up, must come down!« Im alten Gassenhauer vom Alan Parsons Project, den die Radio-Djs Ende der 70er rauf und runter dudelten, steckt eine simple Wahrheit – die sich aber nicht immer realisieren lässt. Ich denke da etwa an die immensen Verschuldungsquoten diverser europäischer Staaten. Oder glauben Sie ernsthaft, dass Italien, dessen Verschuldung 2010 stolze 119% des Bruttolinlandsproduktes ausmachte, je wieder seine rund 1.900 Milliarden Euro Verbindlichkeiten abbauen kann? Eher geht Berlusconi ins Kloster.

In deutschen Sprachraum gibt es auch eine Redensart, die sich mit Höhen und Tiefen beschäftigt: Wir sprechen ja manchmal vom »ewigen Auf und Ab« – in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen und Bedeutungen. Da kann der Wirschaftszyklus gemeint sein mit seinen Booms und Flauten – oder die sehr wechselhafte Leistungsbilanz eines Fußballstürmers, die, verständlicherweise, nach seiner Torausbeute gemessen wird.

Herrn Thurk müssen wir mal außen vor lassen, aber Nationalspieler Gomez eignet sich ganz hervorragend als Paradebeispiel. Mal trifft Supermario wie am Fließband – und dann gerät er wieder in eine Phase, wo alles zusammenkommt: Die Feinmotorik versagt; vor dem Anpfiff Spezi statt Zielwasser getrunken und die Augentropfen mit dem Nasenspray verwechselt; links und rechs, oben und unten vertauscht – vielleicht sogar (aus Versehen) die Fußballschuhe von Mannschaftskamerad Lahm angezogen …

Ein ewiges Auf und Ab – das gilt natürlich auch für das Wetter des Sommers 2011. Er präsentiert sich wie eine launische Diva, die uns ein permanentes emotionales Wechselbad verordnet hat: heute Frühlingsgefühle, morgen Weihnachtsmarktstimmung mit Glühweinnote – und übermorgen Ice-in the-sunshine-Euphorie und Wo-sind-die-gottverdammten-Grillanzünder-Panik. Mal schwül, mal kühl, mal lau, mal sau … kalt!

»All summer long«: rein in die Shorts und raus aus den Shorts. Ich bin sicher, als Kid Rock den Erfolgssong über einen (für ihn) ganz besonderen Sommer getextet hat, schwebte ihm etwas anderes im Kopf herum als wilde Temperatur-Turbulenzen und verrückte Klima-Kapriolen. Aber wild zu ging’s wohl auch …

»Four seasons in one day« von Crowded House ist übrigens auch ein sehr schönes Lied – und es passt perfekt zur aktuellen Jahreszeit. Überhaupt verbirgt sich in so manchem Pop- oder Rocksong-Text Substanzielleres als gemeinhin vermutet wird. So trifft der Klassiker der Blue Oyster Cult auch in diesem Jahr voll in Schwarze: »This ain't the summer of love.«

Gottseidank gibt es das Liedgut des deutschen Schlagers, wo wir Trost finden – und auch manchen guten Ratschlag. Da empfiehlt uns z.B. das Schlager-Duo Nina & Mike, im Notfall den Sommer in der Ferne zu suchen, wie im Song »Sommer in Trinidad«: »Du kommst an und steigst aus und hast sofort gute Laune/ Sommer auf Trinidad/ Hier sind alle Menschen gleich/ ob weiße oder braune.« Amen!

Donnerstag, 18. August 2011

Wo ist die Abteilung Technik?

Gesehen auf dem Weltbild-Gelände. Hoffentlich haben die KollegInnen der Abteilung Technik einen besseren Arbeitsplatz als da, wo die Pfeile hinzeigen.

Freitag, 12. August 2011

Weltbild sucht Saisonkräfte....oder??

(Bild vergrößern, einfach Bild anclicken)

Weihnachten kommt wieder und die Verlagsgruppe Weltbild sucht Saisonkräfte, wie auf dem Foto ersichtlich ist.

Wir von Weltbild Verdi Blog freuten uns schon, dass jetzt Aushilfen gesucht werden mit einer Bezahlung wovon man leben kann. Aber weit gefehlt: Die Verlagsgruppe Weltbild sucht Leihsklaven, die bei Helmes eingestellt werden.

Es gibt Alternative, die auch sozial sind und wovon die Kollegen leben können. Es ist schade, dass die Verlagsgruppe Weltbild dies nicht nutzt.

Was meint Ihr dazu?


Samstag, 6. August 2011

Monitor-Beitrag zum Thema Leiharbeit




Was meinen Sie zum Thema Leiharbeit? Wie sollte Weltbild sich verhalten? Nutzen Sie die Kommentar-Funktion!

Freitag, 5. August 2011

Das Wort zum Freitag: Prima Klima in Lima

Glauben Sie, dass der Klimawandel bereits in vollem Gange ist? Sind Sie mit unserem Betriebsklima zufrieden? Halten Sie den Sommer 2011 für eine Klimakatastrophe – oder lediglich für einen Flop, mit dem zu rechnen war?

Immer wieder gibt das liebe Klima Anlass für Diskussionen, Irritationen und Unmutsäußerungen. Kein Wunder eigentlich, entstammt das Wort Klima doch ursprünglich dem Altgriechischen und bedeutet »Krümmung«, in der Verbform dann »krümmen, neigen, biegen«. Das Klima war also schon immer eine krumme Sache – oder, anders formuliert – eine schräge, fragwürdige und ziemlich labile Angelegenheit.

In Zusammenhang mit den Klimakonferenzen, die von den Vereinten Nationen jährlich abgehalten werden, könnte die inhaltliche Definition des Begriffs Klima durchaus noch ein bisschen mehr auf den Punkt gebracht werden: Klima – fragwürdig, entbehrlich …
Die Klimakonferenz – so überflüssig wie ein Herbsteinbruch im Juli und Wollsocken an den Hundstagen.

Aber mit Klima lässt sich durchaus auch Positives verbninden. Für viele Zeitgenossen ist ein vertrautes Klima, ein gewohntes Umfeld die Grundvoraussetzung für einen hohen Grad an Zufriedenheit, optimale Motivation und Leistungsbereitschaft. Insbesondere am Arbeitsplatz!

Das gilt auch für die Verlagsgruppe Weltbild. Wo ein Arbeitsplatz-Wohlfühlklima leider alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. Doch diverse Arbeitsgruppen im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsheitsmanagements (BGM) sind ja emsig damit befasst, daran etwas zu ändern. Bleibt zu hoffen, dass die Weltbild-Gesundheitsmanager sich nicht endgültig im dichten Gestrüpp von detailstrotzenden Konzepten, Agenden, abstrakten Absichsterklärungen und wohl tönenden Zielvorgaben verheddern – und dabei den Startschuss für konkrete Maßnahmen überhören und den Pfad in die Arbeitswirklichkeit aus den Augen verlieren.

Es gibt übrigens auch Menschen, die verlassen nie die gemäßigten Klimazonen – noch nicht einmal im Urlaub. So ein »Gemäßigter« käme nie auf die Idee, nach Lima zu reisen. Lima, die Hauptstadt Perus, liegt der subtropischen Klimazone. Selbst im kältesten Wintermonat beträgt die Durchschnittstemperatur dort satte 15 Grad Celsius. Allerdings ist die Metropole häufig in dichten Nebel getaucht!

Das klingt schon fast nach Treibhausklima, was zur Zeit in Augsburg herrscht und (nicht nur mir) die Mattigkeit in Kopf und Gliedmaßen treibt.

Wirklich zufrieden mit dem Klima können in diesem »Sommer« eigentlich nur die Nackt- und Weinbergschnecken sein. Sie leben ja bis zu ihrer Pensionierung dauerhaft in der Mikroklima-Zone, also dem Bereich der bodennahen Luftschichten – die bis zu etwa zwei Metern Höhe reicht. Dort fühlen sie sich sauwohl, weil sie es immer schön feucht haben.

Das Büroklima ist den Schnecken schnuppe, denn sie dürfen an der frischen Luft arbeiten. Ihre Arbeitsmotivation ist konstant hoch, weil es für sie immer etwas Frisches im Gemüse- und Kräutergaren zu bearbeiten bzw. zu futtern gibt. Das einzige, was den Kriechtieren wirklich Sorgen macht, sind die vielen Experten, die einen Klimawandel prognostizieren. Dass eine globale Erwärmung auch ihre heimischen Gärten betreffen könnte, wäre für unsere Schnecks der Klimagau.

Montag, 1. August 2011

Liebe KollegInnen von WeltbildPlus…


…immer wieder werden wir aufgefordert, mehr Nachrichten aus den Filialen in diesem Blog zu veröffentlichen. Verschiedene Vermutungen wurden geäußert, warum wir das bislang unterlassen haben. Hier mal ein bisschen was zum Hintergrund.

WeltbildPlus ist nicht Weltbild
Auch wenn es auf den ersten Blick anders aussieht: WeltbildPlus ist nicht identisch mit der Verlagsgruppe Weltbild. Die Filialen der Marken Weltbild und Jokers werden von der WeltbildPlus Medienvertrieb GmbH betrieben. Diese wiederum ist Teil der DBH in München, genauso wie Hugendubel, Weiland, DBH-Warenhaus (Karstadt Buch) usw. Die DBH ihrerseits gehört je zur Hälfte der Verlagsgruppe Weltbild GmbH und den Hugendubel-Erben. Firmenrechtlich also ein bisschen kompliziert… Das ist übrigens auch der Grund, warum der Weltbild-Betriebsrat keine Mitbestimmungsrechte innerhalb der Filialen hat.

Bisher: Konzentration auf Augsburg
Nun muss es uns als ver.di-Blogger nicht interessieren, was der Weltbild-Betriebsrat darf oder kann. Trotzdem haben wir uns in der Vergangenheit auf die Berichterstattung über die Verlagsgruppe Weltbild GmbH in Augsburg konzentriert. Das hat einerseits mit der Arbeitsbelastung zu tun, andererseits mit dem Informationsfluss: Wir kriegen in Augsburg schlicht sehr wenig mit von dem, was in der Fläche passiert.

Das ändert sich jetzt glücklicherweise: Innerhalb von WeltbildPlus gibt es mittlerweile ebenfalls zwei Betriebsräte, nämlich in den Jokers-Filialen in Göttingen und Regensburg. Diese bilden einen Gesamtbetriebsrat, der mit Nicole Molthan in Göttingen eine sehr aktive Vorsitzende hat. Ein guter Grund zur Hoffnung, dass es mit den Infos in Zukunft besser klappt.

Außerdem werden in den Filialen derzeit weitere BR-Wahlen zusammen mit unserer Gewerkschaft ver.di organisiert. Wir hoffen sehr, dass sich in den Reihen der Gewerkschaftsmitglieder weitere BloggerInnen finden, die hier über die Zustände in den Filialen berichten möchten. Meldet euch bitte mit Beiträgen unter der E-Mail-Adresse blogredaktion@web.de .

Ab jetzt: Berichte über WeltbildPlus
Langer Rede kurzer Sinn: Wenn wir ein bisschen Unterstützung kriegen, berichten wir hier in Zukunft gerne auch über die Filialen. Wir starten heute mit einem Interview mit der WeltbildPlus-GBR-Vorsitzenden Nicole Molthan, das unsere KollegInnen vom Hugendubel-ver.di-Blog geführt haben.

"Zwei von 250": Plus-GBR-Vorsitzende Nicole Molthan im Gespräch


Nicole Molthan leitet die Jokers-Filiale in Göttingen und ist Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende bei Weltbildplus/Jokers. Dieses Interview haben wir dem Hugendubel-ver.di-Blog entnommen. Vielen Dank an die KollegInnen für den tollen Text! 

Infoblog: Wann warst Du eigentlich das letzte Mal in einem Media-Markt?

Nicole Molthan: Mein letzter Besuch in einem Media Markt ist schon etwas länger her. Ich persönlich schätze eine ruhige und angenehme Verkaufsatmosphäre und das ist für mich bei den meisten Media-Märkten nicht gegeben. Laute Musikberieselung und aggressive, sich penetrant wiederholende Dauerwerbung aus den Lautsprechern ist nicht so nach meinem Geschmack. Außerdem bin ich selten fündig geworden, was z.B. Filme jenseits der aktuellen Blockbuster und Massenware angeht. Daher meide ich die Läden eher.

Infoblog: Weißt Du, was die Weltbildplus- und die Jokers-Filialen mit Media-Markt gemeinsam haben?

Nicole Molthan: Ja, leider. Media Markt ist genauso wie Weltbildplus/Jokers eine bundesweit agierende Verkaufskette mit ca. 230 stationären Filialen. Von diesen ca. 230 Filialen haben meines Wissens bisher nur zwei Filialen einen Betriebsrat gewählt. Und da kommen wir auf die Gemeinsamkeit. Bei den über 250 Filialen von Weltbildplus/Jokers haben bisher auch nur zwei Filialen einen jeweils einköpfigen Betriebsrat gewählt.

Infoblog: Warum gibt es so wenige BR bei Weltbildplus/Jokers?

Nicole Molthan: Von den über 250 Filialen müsst ihr erstmal ca. 77 Filialen abziehen, die aufgrund ihrer Mitarbeiterstruktur (weniger als fünf Beschäftigte in der Filiale, laut BetrVG ist erst ab fünf Beschäftigten eine BR Wahl möglich) zur Zeit nicht in der Lage sind, selber einen BR zu wählen, obwohl ich Kenntnis von Filialen habe, die dieses sehr gerne tun möchten. Mit dieser Problematik, die sicherlich in Zukunft immer mehr Einzelhandelsketten betreffen wird (stetiger Personalabbau), müsste sich mal der Gesetzgeber beschäftigen. Das BetrVG stammt leider aus einer Zeit, in der es nicht so viele Ketten mit Minibesetzung gab.

Infoblog:  Und bei einer Zusammenlegung von Filialen, zwecks Ermöglichung von BR Wahlen, müsste die Geschäftsführung einverstanden sein, oder?

Nicole Molthan: Ja. Bei den restlichen ca. 180 Filialen (die Zahl schwankt ständig, bedingt durch Filialschließungen und durch den Zuwachs der Wohlthat’s Filialen im Bundesgebiet) kann ich natürlich nur Vermutungen anstellen. Zum einen gab es vor 2009 keinen Betriebsrat im Unternehmen. Das heißt, für viele Kolleginnen und Kollegen ist das Thema „Betriebsrat“ und alles, was damit zusammen hängt, ein gänzlich unerforschtes Themengebiet. In der Schule lernt man nichts über Betriebsräte, in vielen Studiengängen vermutlich auch nicht und so kann es durchaus sein, dass man sein gesamtes bisheriges Berufsleben ohne Kenntnis von Betriebsräten und Betriebsratsarbeit durchlaufen hat. Bei vielen Kolleginnen und Kollegen herrscht noch viel Unsicherheit und Angst. „Was kommt da auf mich zu?“ „Kann ich das überhaupt?“ „Was wird mein Vorgesetzter sagen?“ 

Infoblog: Was gab bei Dir den Anstoß?

Nicole Molthan: Ich selber bin auch erst nach der Entlassungswelle im Mai 2009 aufgerüttelt worden und habe mich daraufhin mal etwas näher mit dem Thema BR befasst. Daher habe ich viel Verständnis für die Kolleginnen und Kollegen, die noch zögern und unsicher sind. Es ist eine Art Denk- und Lernprozess, der sich entwickeln muss und sich auch entwickeln wird.

Infoblog: Was sind die Hauptschwierigkeiten, einen neuen BR zu bilden?

Nicole Molthan: Eigentlich gibt es keine Schwierigkeiten. Die formalen juristischen Wege sind einzuhalten, dabei hilft der GBR (Gesamtbetriebsrat). Interessierten Kolleginnen und Kollegen werden Seminarangebote gemacht, damit die BR Wahl korrekt abläuft. Niemand wird alleine gelassen.

Ganz wichtig ist meiner Einschätzung nach aber, dass das gesamte Team in der Filiale die interessierte Kollegin, den interessierten Kollegen unterstützt. Quasi eine Art Gemeinschaftsentscheidung. Denn die dann hoffentlich erfolgreiche und konsequente Betriebsratsarbeit kommt letztlich dem gesamten Team zugute. Am Anfang wird es sicherlich ein wenig holprig, bis sich die Betriebsratsarbeit wie selbstverständlich in den Arbeitsalltag integriert. Aber auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt. An dieser Stelle auch ein ganz herzliches Dankeschön an mein eigenes Team für die Unterstützung und das Verständnis.

Infoblog: Wenn KollegInnen einen BR gründen wollen, was sollten Sie als erstes tun?

Nicole Molthan: Als erstes prüfen, ob die formalen Voraussetzungen vorliegen. Die Personalstruktur ändert sich in den Filialen derart rasant, dass die Listen, die dem GBR vorliegen, meist nur Makulatur sind. Wenn die BR Gründung jedoch möglich ist und der Entschluss feststeht, sollte sich die/der künftige BR zwei Getreue aus der Filiale für den Wahlvorstand an die Seite holen und dann Kontakt mit dem GBR aufnehmen.

Infoblog: Das Management von Media-Markt unternimmt alles, um die Bildung von BR zu behindern. Gibt es ähnliche Erfahrungen bei Weltbildplus/Jokers?

Nicole Molthan: Nach eigener Aussage hat die Geschäftsführung nichts gegen BR Wahlen, wenn sie juristisch korrekt ablaufen. Der GBR hat bereits Wahlvorstände für einige Filialen benannt und die BR Wahlen werden in allernächster Zukunft durchgeführt werden. Ich hoffe nicht, dass es zu Behinderungen kommen wird.
Infoblog: Seit wann bist Du Betriebsrätin?


Nicole Molthan: Seit Dezember 2009 bin ich Betriebsrätin für die Jokers-Filiale in Göttingen.

Infoblog: Es war bestimmt nicht immer ganz einfach, oder?

Nicole Molthan: Der Anfang war wirklich nicht ganz einfach. Da es keine bereits existierenden Betriebsräte gab oder wenigstens das Gremium aus mehr als einer Person beständen hätte, wusste ich am Anfang auch nicht so recht, was da auf mich zukommen würde und was ich jetzt eigentlich tun muss. Anders als in anderen Betrieben, wo der BR in der Regel doch zumindest aus drei Personen aufwärts besteht, konnte ich keinen gewieften, langjährigen, mit allen Wassern gewaschenen BR-Kollegen um Rat und Beistand fragen. Daher dauerte vieles natürlich etwas länger. Aber mittlerweile bestehen enge Kontakte zu meinen BR Kollegen von Hugendubel; der Verlagsgruppe Weltbild; DBH Warenhaus; Deuerlich; Weiland; Schmorl & von Seefeld und Wohlthat’s.

Infoblog: Und seit wann bist Du GBR-Vorsitzende?

Nicole Molthan: Nach einigen Anlaufschwierigkeiten (das „Börsenblatt“ berichtete im April 2010, dass der Gesamtbetriebsrat nicht kommen würde) bin ich seit Juli 2010 die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, der zur Zeit naturgemäß nur aus zwei Mitgliedern besteht. Aber ich bin zuversichtlich, was die Erhöhung der Mitgliederzahl angeht (lacht).

Infoblog: Was sind Deine Hauptaufgaben als GBR-Vorsitzende?

Nicole Molthan: Meine Hauptaufgabe ist sicherlich, den Kolleginnen und Kollegen bei Fragen rund um das Thema „Betriebsrat“ und „Betriebsratsarbeit“ mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Dazu gehören Informationen allgemeiner Art, aber auch die persönliche Beratung und Unterstützung. Und natürlich viel Überzeugungsarbeit, Aufklärungsarbeit und Ermunterung. Ich denke, bei vielen Kolleginnen und Kollegen erwächst jetzt so langsam ein Bewusstsein dafür, dass sie nicht ohne Rechte sind, aber dass sie für die Durchsetzung dieser Rechte selber aktiv werden müssen. Und dabei wird sie der GBR unterstützen. Der GBR bietet Hilfe zur Selbsthilfe.

Infoblog: Was war/ist für Dich die verblüffendste Erkenntnis als BR/GBR-Vorsitzende?

Nicole Molthan: Dass die Betriebsratsarbeit wirklich Spaß machen kann. Ich hatte am Anfang nur diffuse Vorstellungen. Ich dachte, man muss sich nur mit trockenen Gesetzestexten und Vorschriften beschäftigen. Mit der Zeit habe ich aber gelernt, wie interessant und spannend es ist, dass Betriebsverfassungsgesetzt mit Leben zu erfüllen. Natürlich stößt man immer wieder auf Schwierigkeiten und auf den ersten Blick schier unüberwindbare Hindernisse, die einen kurzzeitig vielleicht entmutigen. Aber dann steht man wieder auf und versucht einen anderen Weg.

Infoblog: Was ist Deiner Meinung nach wichtig für die Betriebsratsarbeit?

Nicole Molthan: Beharrlichkeit, Neugierde, Lernbereitschaft, Gerechtigkeitssinn, Konfliktfähigkeit und Humor.
Und natürlich auch der Mut, Fehler zu machen und aus diesen zu lernen. Ich glaube, Passivität, vielleicht aus Angst etwas falsch zu machen, ist der größte Feind erfolgreicher Betriebsratsarbeit.

Infoblog: Wie kommunizierst Du mit den Kolleginnen und Kollegen in den Filialen?

Nicole Molthan: Jede Kollegin und jeder Kollege hat zwei persönliche Info Briefe des GBR bekommen, in denen es um die Voraussetzungen und die Notwendigkeit der BR Wahl ging.

Da es sich um räumlich weit voneinander entfernte Filialen handelt, bleibt mir oft nur das Mittel der Rundmail. Diese Wahl der Kommunikation ist nicht ganz zufriedenstellend, da die Rundmails des GBR in der Flut der täglichen Filialmails leicht untergehen können. Aber die Information über Mails entspricht den Gepflogenheiten des Unternehmens. Dies leuchtet auch ein, wenn man sich klar macht, dass es schier unmöglich ist, komplexe und auch nicht für die Öffentlichkeit gedachte Themen wie die BR Wahl am Telefon zu besprechen, wenn man in Einerbesetzung im Laden an der Kasse steht. Andererseits hat das BetrVG ganz klar festgelegt, dass es jedem Mitarbeiter möglich sein muss, während seiner Arbeitszeit mit dem GBR Kontakt aufzunehmen. Daher bleibt die Mail vorerst wohl die erste Wahl. Jeder Mitarbeiter kann aber auch gerne telefonisch mit dem GBR Kontakt aufnehmen und in gemeinsamer Abstimmung wird sich bestimmt die Möglichkeit für ein ausführliches Telefongespräch finden.

Infoblog: Trotz allem geht es in unserem Beruf immer noch um Bücher: 
Wenn Du nach Job und Betriebsratsarbeit noch Zeit hast - welches Buch liest Du gerade bzw. kannst Du den Leserinnen und Lesern des Infoblogs empfehlen?

Nicole Molthan: Ich bin leider auch der Unsitte verfallen, wie vermutlich viele leidenschaftliche Buchliebhaber, dass ich meistens mehrere Bücher gleichzeitig lese. Eigentlich möchte ich mich immer nur auf ein Buch konzentrieren, dann kommt doch wieder ein neues spannendes Buch dazwischen. Zur Zeit lese ich also als „Hauptbuch“ von Lea Singer „Vier Farben der Treue“ und erfreue mich sehr am Sprachstil. Gleichzeitig sind folgende vier Bücher angelesen und warten auf die Entscheidung, welches von ihnen das nächste „Hauptbuch“ wird. Von Eckart Kleßmann „Universitätsmamsellen“ mit Bezug zu Göttingen; „Als Poesie gut – Schicksale aus Berlins Kunstepoche 1786 bis 1807“ von Günter de Bruyn; „Witwe im Wahn“ von Oliver Hilmes oder doch „Drood“ von Dan Simmons. Mal sehen.

Infoblog: Und ganz allgemein: Gibt es einen Autoren oder Bücher für dich, die du immer wieder lesen könntest, quasi „all time favourites“?

Nicole Molthan: Oh je, wenn ich die alle aufzählen würde, könntet ihr euren Blog vermutlich wegen Speicherkapazitätüberschreitung schließen (grinst).

Ich versuche mich also zu beschränken. Lieblingsautoren/innen sind für mich Jane Austen, Arthur Schnitzler, Thomas Mann, Theodor Fontane, Henry James, Elisabeth von Arnim, Oscar Wilde, Edgar Allan Poe, die Brontës und um wenigstens noch zwei zu nennen, die noch nicht seit Ewigkeiten vor sich hin modern ....
Sven Regener und Max Goldt.

Infoblog:  Liebe Nicole, vielen Dank für das sehr aufschlußreiche Gespräch und die Literatur-Tips zum Schluß! Wir wünschen Dir für Deine Arbeit als Betriebsrätin und GBR-Vorsitzende viel Kraft, Geschick und die notwendige Portion Humor!


Nicole Molthan ist unter folgenden Kontakt-Mail-Adressen zu erreichen:
nicole.molthan@wbpd.de
gbr-welt-bild-plus@web.de


Zum Weiterlesen ein Situationsbericht eines Kollegen von Weltbildplus: "Das Weltbild von Weltbild"

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