Donnerstag, 31. Mai 2018

Tarifflucht im Handel



Wesentliche Teile dieses Beitrags haben wir einem Artikel entnommen, den Andreas Hamann in der ver.di-Mitgliederzeitung "publik" veröffentlicht hat. Den kompletten Artikel von Andreas findet ihr hier.

Wohl kaum eine Branche hat sich in den letzten zwanzig Jahren so stark verändert wie der Einzelhandel. Riesige Konzerne mit enormer Marktmacht dominieren – Zehntausende kleinerer Unternehmen sind ausgeschieden. Es findet ein erbitterter Verdrängungswettbewerb statt, der überwiegend über Preiskämpfe, Öffnungszeiten und Flächenerweiterungen geführt wird. Der boomende Onlinehandel und eine zunehmende Konzentrationsentwicklung erhöhen den Wettbewerbsdruck.
Der ruinöse Wettbewerb wird durch staatliche Deregulierung noch zusätzlich angeheizt. Die weitgehende Freigabe der Öffnungszeiten und die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes im Zuge der Hartz-Gesetze haben Schleusen geöffnet für einen Minijob-Boom, für Dumpinglöhne und den missbräuchlichen Einsatz von Leiharbeit und Werkverträgen. Mit der arbeitgeberseitigen Aufkündigung der Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge im Einzelhandel im Jahre 2000 hat der ruinöse Wettlauf eine weitere negative Trendverstärkung erhalten. Damit wurde eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt, seither ist die Tarifbindung im Einzelhandel erodiert.


Nach „außen“ prägen niedrige Preise, hohe Rabatte und wohlfeile Werbekampagnen das Bild des deutschen Einzelhandels – „innen“ dominieren in vielen Unternehmen prekäre Beschäftigung, zunehmender Leistungsdruck und untertarifliche Bezahlung. Für die Mehrzahl der Beschäftigten bietet sich eine ausgesprochen düstere Perspektive: Berechnungen zufolge werden mindestens 2,5 Millionen Menschen nach einem harten Arbeitsleben anschließend in Altersarmut „entlassen“.


Tarifflucht - der neue Trend

Unter Tarifflucht versteht man den Rückzug eines Unternehmens aus der Tarifbindung, etwa durch Verlassen des Arbeitgeberverbandes oder durch den Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft (= ohne Tarifbindung).


Tarifverträge sind Garanten für gute Arbeit. Ob beim Gehalt, bei den Urlaubstagen, beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld, bei den Arbeitszeiten oder bei den Kündigungsfristen - Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis durch einen Tarifvertrag geregelt ist, stehen besser da als Beschäftigte in Betrieben ohne Tarifbindung.

Aber auch aus Sicht der Arbeitgeber sind Tarifverträge durchaus sinnvoll.
Nicht nur, weil sie ein gutes Betriebsklima und zufriedene, wie motivierte Beschäftigte schaffen. Vor allem Flächentarifverträge, die für eine ganze Branche gelten sorgen zudem für fairen Wettbewerb, sie verhindern Schmutzkonkurrenz, indem sie allen Unternehmen gleiche Voraussetzungen bei Planungssicherheit und Kalkulation garantieren.

Dennoch verlassen immer mehr Unternehmen in Deutschland die Tarifbindung, um die Löhne immer weiter absenken zu können und sich nur noch auf die im Gesetz verankerten Bestimmungen, wie Arbeitszeiten, Kündigungsfristen oder Urlaubstage, berufen zu müssen.


Tarifflucht am Beispiel Real


Ende März 2018 platzte eine weitere Bombe: 
Real, eine Tochter des Metro-Konzerns mit rund 250 großen SB-Warenhäusern begeht Tarifflucht.

"Handel ist Krieg" - so der Schlachtruf des Managements. Bei Real heißt es nun in den "Angriffsmodus" zurückkehren.

Mit allen Mitteln hin zu niedrigen Kosten, das ist das Mantra im Verdrängungswettbewerb. Eine knallharte Konkurrenz beherrscht das Geschehen. Kleinere Unternehmen, wie beispielsweise Tengelmann, werden von Branchenriesen, z.B. Edeka, geschluckt, andere Händler, wie etwa Quelle, Schlecker oder Praktiker rutschen in die Pleite. Sie können den Rabattschlachten, aber auch den viel zu teuren Öffnungszeiten nicht standhalten. Erschwerend kommt der digitale Wettbewerb hinzu.

Aber es gibt auch viele Profiteure. Von 2005 bis 2015 sind die Nettogewinne um 30 prozent auf 16,9 Mrd. Euro hochgeschnellt, Tendenz weiterhin steigend.
"Jeder gegen Jeden" heißt es in der Top-Liga und es gibt Umsatzverlagerungen. Real zähl zu den Wackelkandidaten, die dringend neue Konzepte suchen müssen. Dies geschieht, wie sich zeigt, auf dem Rücken der Beschäftigten.
Begründet wird dies mit "Kostennachteilen" beim Personal. Dabei zahlen die meisten Taktgeber und Konkurrenten, wie Kaufland, Aldi, Lidl, die Metro-Märkte und in Teilen Rewe und Edeka, mindestens Tarif.

Bereits 2015 hatte der Real-Mutterkonzern erstmalig die Reißleine gezogen. Real blieb im Handelsverband HDE, wechselte aber in die OT-Mitgliedschaft.
Diesen Weg haben schon viele Firmen eingeschlagen und die damit einhergehende Erosion der Flächentarifverträge eingeleitet, was messbare Folgen hat:öffentliche Kassen werden durch Erwerbs - und Altersarmut immer stärker belastet,da etliche Händler ihre fragwürdigen Geschäftsmodelle über diesen Weg mitfinanzieren lassen. Inzwischen ist nur noch weniger als ein Drittel der im Einzelhandel Beschäftigten per Tarif geschützt. Etwa 120.000 stocken bereits mit Hartz IV auf.
ver.di kämpft um die Tarifbindung
Der Kampf um die Tarifbindung hat für ver.di höchste Priorität.   
 Zu den erfolgen gehörte neben Esprit oder Ikea seit Sommer 2016 auch Real: Nach einer Streik- und Protestwelle kam ein "Zukunftstarifvertrag" zustande. Real kehrte zurück in den Flächentarif und fast alle Läden und Jobs konnten gesichert werden. Dagegen standen der befristete Verzicht auf Gehaltserhöhungen und gekürzte Sonderzulagen 2017 bis 2019. Verabredet wurde auch, eine neue Entgeltstruktur zu verhandeln.
Nach etlichen Verhandlungsrunden erfolgte ein Überraschungsangriff: Das im Februar vorgelegte Modell sieht sieben Tarifgruppen ab 1.630 € vor - das sind etwa 40 Prozent weniger. In erster Linie würde das alle Neuangestellten betreffen, da für die "Alten" eine Zulage geplant sei. Aber auch sie hätten Abstriche, etwa beim Urlaubs - oder Weihnachtsgeld, hinnehmen müssen.
"Solch ein Deal war und ist mit der ver.di nicht zu machen"; so das Bundesvortsandsmitglied Stefanie Nutzenberger. "Wir stellen uns auf harte Auseinandersetzungen ein." Es sei höchste Zeit für allgemeinverbindliche Tarifverträge!
Weil die ver.di-Tarifkommission die Billigtarife nicht akzeptierte, ließ die Metro die Verhandlungen platzen. Werner Klockhaus, Vorsitzender des Metro-KBR und des Real-GBR, lehnt Dumping-Verträge entschieden ab. "Die Tarifverträge, die jetzt bei Real zur Geltung kommen sollen, fangen bei 1.600 € Brutto für Vollzeit an. Das ist skandalös. Tarifflucht ist der völlig falsche Weg. Alle unsere KollegInnen brauchen Tarifentgelte, die zum Leben reichen."
Dafür stehen momentan die Chancen nicht gut. Das Unternehmen soll erneut umgebaut werden und künftig im Metro-eigenen Arbeitgeberverband AHD vertreten sein. Tarifverträge will das Management mit dem DHV abschließen, einem als Peseudo-Gewerkschaft kritisierten Verein, der für Gefälligkeitstarifverträge bekannt ist.
Der Ausstieg aus der Tarifpartnerschaft mit ver.di könnte "eine sehr negative Kettenreaktion" im Handel auslösen, sagt Werner Klockhaus. "Wenn jetzt nicht endlich die Politik zu Gunsten einer Allgemeinverbindlichkeit eingreift, droht die komplette Auflösung der Flächentarifverträge." Das geht dann uns alle an.

Und bei Weltbild? 

Seit dem Ausstieg von Weltbild aus dem Tarif nach der Insolvenz 2014, konnte auch in der Buchhandelsbranche eine negative Entwicklung erkennbar werden - es tut sich nämlich nichts mehr. Die letzten Tarifverhandlungen fanden im Dezember 2012 statt.

Zudem wurde im Juli 2014 der Manteltarif Buchhandel und Verlage Bayern arbeitgeberseitig gekündigt und befindet sich seitdem in Nachwirkung.
Da Investor Droege nicht im Arbeitgeberverband Mitglied ist, gilt für die neu angestellten MitarbeiterInnen der sich in der Nachwirkung befindende Tarifvertrag nicht. Es gab zwar immer wieder die Idee, einen Haustarifvertrag zu verhandeln - passiert ist bis jetzt jedoch nichts.

Wie man in letzter Zeit traurigerweise feststellen musste, ist der Umgang mit den MitarbeiterInnen eher fragwürdiger Natur. Es gilt also ein wachsames Auge auf die personelle Entwicklung im Unternehmen zu haben, damit sich der Trend  "Teure Alte gegen preiswerte Neue zu tauschen" nicht weiter fortsetzen kann und die Restrukturierung des Unternehmens nicht ausschließlich auf dem Rücken der verbliebenen Belegschaft vorangetrieben wird.

Quellen:
ver.di
DGB
Hans-Böckler-Stiftung

Dienstag, 29. Mai 2018

Wer ist schuld an der schlechten Stimmung bei WELTBILD?


Die Geschäftsführung ist sauer auf den Betriebsrat. Sie wirft der gewählten Vertretung der Beschäftigten vor, sie verbreite „schlechte Stimmung“ und schädige den Ruf von WELTBILD als Arbeitgeber. Wegen der negativen Berichte in diesem Blog falle es der Personalabteilung zunehmend schwerer, neue MitarbeiterInnen für WELTBILD zu gewinnen…

Dazu haben wir drei Dinge zu sagen:

1. Die Gewerkschaft ver.di ist Betreiber dieses Blogs, nicht der Betriebsrat; und der Betriebsrat bestimmt auch nicht über die Redaktion.

2. Die „schlechte Stimmung“ entsteht nicht durch Berichte in diesem Blog. Die Stimmung bei WELTBILD ist schlecht, weil Beschäftigte schlecht behandelt werden.

3. Wer keine neuen MitarbeiterInnen rekrutieren kann, muss vernünftig mit den vorhandenen KollegInnen umgehen. Wenn dieses Blog dazu beiträgt, ist schon viel erreicht.

Wir werden den Arbeitgeber WELTBILD weiter kritisch begleiten. Die GeschäftsführerInnen Christian Sailer und Angela Schünemann haben es selbst in der Hand, ob Schlechtes über WELTBILD im Internet steht. Der einfachste Weg, das zu verhindern, ist: fair sein, die MitarbeiterInnen wertschätzen und sich an die Spielregeln der gesetzlichen Mitbestimmung halten.

Last but not least: auch ein Personalchef Manfred Ries tut am Ende nur das, was die Geschäftsführung ihm aufträgt. Bei Christian Sailer und Angela Schünemann liegt die Verantwortung, und da geht sie auch nicht weg, wenn man dem Betriebsrat Vorwürfe macht.

Freitag, 25. Mai 2018

Die Statik zielloser Bewegung


Umzüge sind nicht zwingend eine schlechte Sache. Im manchen Regionen, zu bestimmten Zeiten sind sie für gewisse Gruppen sogar der absolute Hammer. Zum Beispiel im Rheinland, im Februar ... für Narren. 
Es scheint als hätte dies die rheinische Frohnatur Walter P. J. (steht das für Jeck?) Droege dazu inspiriert auch hier in Augsburg etwas derartiges zu veranstalten. 

Geplant ist, durch einen riesigen Umzug alle Bereiche des Wareneinkaufs von Weltbild, der momentan auf zwei Gebäude verteilt ist, zusammenzuführen. Die Anzahl der betroffenen Mitarbeiter ist beträchtlich und die Planung noch "streng geheim", eventuell auch den Entscheidungsträgern bisher noch gar nicht eingefallen. 

Auf den ersten Blick mag das Vorhaben ganz sinnvoll erscheinen, Kollegen, die dasselbe tun, auch räumlich nahe beieinander zu haben. Der zweite Blick allerdings offenbart, dass die ganze Aktion außer Kosten, Arbeitszeitverlust und Stress herzlich wenig bewirken kann.
Die beiden Bereiche CM Media (Bücher, Musik, Filme) und CM Non-Media (der ganze Rest, größtenteils Importware) haben, laut Information der Kollegen, weder in den Arbeitsabläufen noch in der Sortimentsabstimmung besonders viel gemeinsam und liefen bisher auch auf die Distanz ganz geschmeidig nebeneinander her. Ob also ungeahnte Synergieeffekte dem Unternehmen Weltbild großen Nutzen bringen werden, ist mehr als fraglich.

Dazu kommt, dass die angespannte räumliche Situation ein unüberschaubares Stühlerücken auslösen wird. Es ist ja nicht so, dass die einen einfach zu den andern umziehen können, ohne, dass dafür wieder andere Mitarbeiter Platz machen müssten. Und vielleicht stellt man am Ende fest, dass die neue Ordnung bisher funktionierende Strukturen auseinander gerissen hat.
Möglich ist auch, dass nach der ganzen Reise nach Jerusalem für manche Mitarbeiter gar kein Platz mehr übrig ist ... dumm gelaufen. Das wäre aber kein Kündigungsgrund, oder? 
Move and fire, aber wir wollen niemand auf dummen Gedanken bringen.

Eine derartige Aktion leuchtet in Anbetracht der noch immer sehr angespannten, wirtschaftlichen Situation wirklich nicht ein. Sinnvoll wäre das Vorhaben zu bewerkstelligen, wenn Weltbild, wie Droege angekündigt hatte, zeitnah in ein neues Gebäude umzieht, in dem alle Mitarbeiter Platz finden und die Abteilungen in einem Ruck, ohne Stress zusammen geführt werden könnten. 

Wenn man es mit dem Zitat "Stillstand ist der Tod" halten möchte, ist sinnfreies Im-Kreis-Rennen zwar Bewegung, aber nichts, was einen auch nur einen Zentimeter vorwärts bringen könnte. An dieser Stelle erschließt sich auch der kryptische Titel dieser Zeilen.

Die fehlende Sinnhaftigkeit einer Idee, ist aber bei Weltbild leider schon lange kein Argument mehr, die Finger von komplettem Schwachsinn zu lassen ... der Hinweis auf den glorreichen  "Umzug" unserer Logistik nach Tschechien muss an dieser Stelle nicht explizit erfolgen. 

Was einem bei diesem mutmaßlich planlosen Plan am meisten erschreckt, ist die Tatsache, dass in der Vergangenheit das Endergebnis solcher Planungen, die schlimmsten Befürchtungen bei weitem übertroffen hat.

Den Kollegen läuft die Vorfreude auf den Umzug schon jetzt lauwarm den Innenschenken hinab.  In diesem Senne: "Helau und Alaf!".

Freitag, 18. Mai 2018

Um ein paar Knedlíky: WELTBILD feuert Kollegin nach 27 Jahren fristlos


Stellen Sie sich das einmal vor: Ihr Arbeitgeber schließt seine Logistik in Deutschland, weil es in Tschechien angeblich billiger geht. Sie und Ihre KollegInnen schmeißt er raus. Was Sie in den letzten 25 Jahren für das Unternehmen geleistet haben, ist Ihrem Arbeitgeber nichts wert. Betriebsrat und Gewerkschaft streiten wenigstens eine Transfergesellschaft zur Überbrückung und ein kleine Abfindung heraus, aber Ihren Job sind Sie im Alter von über 50 Jahren los. 

Dann stellt ihr Arbeitgeber fest, dass ein moderner Versandhandel doch etwas komplexer ist als vermutet. Darum fleht er Sie als ehemalige Fachkraft an, den neuen MitarbeiterInnen in Tschechien beizubringen, wie das Geschäft funktioniert. Sie willigen ein und arbeiten künftig hunderte Kilometer weit weg von zuhause in Bor. Dort gibt es keinen Betriebsrat, keine Gewerkschaft, keinen Arbeitsschutz: Sie arbeiten bis spät in die Nacht hinein, am Wochenende und über die Feiertage… Sie opfern sich auf, damit das Versandhandelsgeschäft Ihres Arbeitgebers nicht völlig zusammenbricht.

Hungerlöhne in der Diaspora

Ihre neuen KollegInnen sprechen kaum Deutsch. Die meisten sind LeiharbeiterInnen aus Rumänien, weil auch die Tschechen nicht zu den Hungerlöhnen arbeiten wollen, die Ihr Arbeitgeber für angemessen hält. Abends sitzen Sie mit der Handvoll Augsburger KollegInnen zusammen, die wie Sie in der tschechischen Diaspora gelandet sind. Manchmal laden Sie sich gegenseitig auf ein Bier oder ein Knödelgericht ("Knedlíky") ein.

Nach einem weiteren Jahr, in dem Sie so viel und so hart gearbeitet haben, wie nie zuvor in Ihrem Leben, glaubt Ihr Arbeitgeber, dass er jetzt ohne Sie auskommen kann. Ohne viel Federlesens schmeißt er Sie wieder raus. Sie sind aber nicht bereit, so mit sich umspringen zu lassen und reichen Kündigungsschutzklage ein. Daraufhin bietet der Arbeitgeber Ihnen einen Aufhebungsvertrag mit einer Abfindung an. Diese ist aber deutlich kleiner als Sie nach 27 Jahren Betriebszugehörigkeit erwarten dürfen. Und sie ist auch kleiner als in einem Sozialplan vorgesehen, den der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat ausgehandelt hat. Folgerichtig unterschreiben Sie nicht, sondern wollen die Sache vom Gericht klären lassen.

Verhängnisvolle Knedlíky

Nun werden Ihnen die Knedlíky, die Sie mit Ihren KollegInnen genossen haben, zum Verhängnis. Sie haben vergessen, diese von den Verpflegungsmehraufwendungen, die auf der Reisekostenabrechnung angegeben werden, abzuziehen. Ihr Arbeitgeber hat sicher lange suchen müssen, aber dann hat er tief in den Kellern einige fehlerhafte Abrechnungen dieser Art gefunden und kündigt Ihnen deshalb fristlos. Um eine Abfindungszahlung zu sparen, wird Ihre Lebensleistung in den Dreck getreten!

An Ihrem Beispiel erkennen andere KollegInnen in Augsburg, dass Ihr Arbeitgeber inzwischen jeden Anstand und alle Skrupel verloren hat. Wer den GeschäftsführerInnen Christian Sailer und Angela Schünemann quer kommt, wird gnadenlos plattgemacht. Im Zweifel hat Personalchef Manfred Ries immer eine Idee, wie er Sie fertig machen kann.

Darum werden Ihre KollegInnen jetzt sehr vorsichtig und geben Fahrtkostenerklärungen und Spesenabrechnungen nur noch mit einer besonderen Erklärung ab:

Sehr geehrter Herr Sailer, sehr geehrte Frau Schünemann, sehr geehrter Herr Ries,

es ist eine Gnade, dass ich in Ihrer Firma arbeiten darf. Ich habe zwar seit sechs Jahren keine Gehaltserhöhung, keine Fortbildung oder sonst irgendeine Anerkennung erhalten, aber ich bin trotzdem zufrieden. 

Ich lasse mich gerne von fachfremden Managern belehren, erfülle bereitwillig unsinnige Vorgaben und arbeite einfach härter, schneller und länger, damit Ihre Firma trotzdem nicht untergeht. Aber ich weiß auch, dass mich das im Falle eines Falles nicht davor schützt, Ihren heiligen Zorn auf mich zu ziehen. 

Deshalb gebe ich diese Erklärung/Abrechnung nur unter Vorbehalt ab. Bitte lassen Sie vor der Auszahlung unbedingt von mehreren Fachleuten und Anwälten prüfen, ob tatsächlich alles korrekt ist. Im Zweifelsfall zahlen Sie lieber weniger oder gar nichts von meinen Auslagen zurück. Ich verzichte gern auf Geld und Anerkennung, wenn ich nur weiter für Sie und Herrn Walter Droege aus Düsseldorf arbeiten darf. 

Mit ergebensten Grüßen küsst den Boden, auf dem Sie wandeln 

IhrE MitarbeiterIn

PS: Dieser Text ist eine Satire, falls es der Arbeitgeber-Anwalt nicht von alleine merken sollte! 

Donnerstag, 10. Mai 2018

Betriebsrat entsetzt: WELTBILD-Führung erpresst MitarbeiterInnen


Wer bei WELTBILD arbeitet, muss mittlerweile mit allem rechnen… Es geht immer noch ein bisschen niederträchtiger: Am 17. April hat das Augsburger Arbeitsgericht auf Antrag des Betriebsrats beschlossen, dass eine Einigungsstelle darüber entscheiden soll, wie MitarbeiterInnen von WELTBILD in die Filial-GmbH wechseln können. Jetzt erpresst die WELTBILD-Führung die KollegInnen: Sie sollen vor dem Zusammentreten der Einigungsstelle in die tarif- und betriebsratslose Tochter wechseln, sonst würde ihre Stelle bei WELTBILD gestrichen.  

Im Februar hatte die Geschäftsführung, Christian Sailer und Angela Schünemann, beschlossen, sechs KollegInnen von WELTBILD in die Filial-GmbH abzuschieben. So sollte Personal bei WELTBILD zumindest auf dem Papier reduziert werden. Die MitarbeiterInnen wollten aber nicht in die Filialvertriebs GmbH: Es gibt dort weder einen Betriebsrat noch existiert eine Tarifbindung. Außerdem gilt die Filialkette als wirtschaftlich wacklig.

Geschäftsführung umgeht richterlichen Beschluss

Der Betriebsrat von Weltbild versuchte zu verhandeln und den Wechsel in Form eines Betriebsübergangs zu gestalten. Außerdem sollten die Filial-Verwaltung und WELTBILD in einem gemeinsamen Betrieb zusammengefasst werden, um die betroffenen KollegInnen abzusichern. Die Geschäftsführung lehnte jede Verhandlung ab, musste sich aber vor Gericht eines Besseren belehren lassen: Das Arbeitsgericht setzte auf Antrag des Betriebsrats eine Einigungsstelle ein. Nun muss also doch verhandelt werden (wir berichteten).

Aber die GeschäftsführerInnen Christian Sailer, Angela Schneemann und Personalleiter Manfred Ries versuchen den Richterspruch zu umgehen. Manfred Ries setzte den betroffenen KollegInnen jetzt die Pistole auf die Brust: Sie sollen sofort Aufhebungsverträge bei WELTBILD unterschreiben und in die Filialorganisation wechseln, sonst würden ihre Stellen in der Filial-GmbH neu ausgeschrieben und sie verlören ihre Arbeitsplätze bei WELTBILD. So versucht die WELTBILD-Führung die Entscheidung des Gerichts zu konterkarieren, indem sie Tatsachen schafft, bevor die Einigungsstelle zusammentreten kann.

Neuer Tiefpunkt in der Zusammenarbeit

Für den Betriebsrat markiert dieses Vorgehen einen neuen Tiefpunkt in der Zusammenarbeit. In einem Protestschreiben an die Geschäftsführung heißt es: "Mit solchen Maßnahmen verspielen Sie das letzte bisschen Vertrauen, das der eine oder die andere der KollegIn noch in die Führung haben könnte. Halten Sie Druck und Erpressung wirklich für geeignete Führungsstrategien, um die Belegschaft in der Krise zu motivieren?" Der Betriebsrat fordert die Geschäftsführung auf, die KollegInnen in Ruhe zu lassen und nichts mehr zu unternehmen, bis in der Einigungsstelle ein Spruch gefallen ist, wie in diesem Zusammenhang angemessen und juristisch einwandfrei zu verfahren ist.

Information ans Arbeitsgericht

Der Anwalt des Betriebsrats prüft, ob und wie das Gremium juristisch gegen die perfide Strategie der Geschäftsführung vorgehen kann. Außerdem wurde der zuständige Richter beim Arbeitsgericht informiert, damit "auch das Arbeitsgericht weiß, wie wenig seine Beschlüsse in den Augen unseres Arbeitgebers wert sind."

Montag, 7. Mai 2018

Exodus in der Weltbild-IT


In der Weltbild-IT gab es in den letzten Wochen eine ungewöhliche Häufung von Eigenkündigungen, sogar in der Führungsebene.
Zu diesem Thema erreichte uns ein Schreiben eines IT-Mitarbeiters, in welchem er die Situation der Mitarbeiter schildert:

Es hagelt gerade Eigenkündigungen von Mitarbeitern in der Weltbild-IT.
Das ist die Quittung für die menschenverachtende Vorgehensweise der Droege-Geschäftsführer und Ihres Anführers Droege in Düsseldorf.

Nach der x-ten Kündigungswelle der Geschäftsführung ist wohl die letzte Motivation, hier noch weiterzumachen, verbraucht worden.

Wodurch soll denn ein Mitarbeiter motiviert werden, bei einer Firma mit Problemen zu bleiben, wenn er auch bei einer anderen Firma arbeiten könnte, der es gut geht ?
Das kann nur funktionieren, wenn die Firma eine Einheit bildet, eine Familie, die sich durch schwere Zeiten durchkämpft und Licht am Horizont sieht.
Aber weder das eine noch das andere ist der Fall.

Die Mitarbeiter werden seit vier Jahren verunsichert durch eine Kündigungswelle nach der anderen, das hält kein Mensch auf Dauer aus.
Sie werden von der Geschäftsführung vera....t, die Beschwerden nicht ernst nimmt, die seit Jahren keinen Finger gerührt hat, irgendetwas an den Zuständen zu verbessern, die die Mitarbeiter in High- und Low-Performer (die zu entlassen sind) einteilt.

Es werden mit fadenscheinigen Begründungen langjährige Mitarbeiter entlassen, die sich in dieser Firma aufgearbeitet haben.
Es wird zusätzlich zu einer fristgerechten Kündigung auch noch eine absurd begründete fristlose Kündigung ausgesprochen, um den Druck auf den betroffenen Mitarbeiter zu erhöhen.

Selbstverständlich hat es schon seit der Insolvenz keine Gehaltserhöhungen gegeben.
Das sind jetzt schon vier Jahre, da kommen schon ein paar Prozente zusammen, die man woanders inzwischen mehr verdienen könnte.

Ein Massnahmenkatalog zur psychischen Gefährdungsbeurteilung, der in etlichen Workshops von vielen Mitarbeitern zusammen engagiert erstellt und vorgeschlagen wurde, wird seit über einem Jahr (kaum zu fassen) einfach von der Geschäftsführung ignoriert.

Dass sich die beteiligten Mitarbeiter und der Rest der Firma daraus ableiten können, dass die Mitarbeiter eigentlich nur ein lästiges Übel sind, liegt für jeden einigermaßen sozial kompetenten Menschen auf der Hand.

Ein Motivationstreffen der IT mit der Geschäftsführung erreichte genau das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung, da der Geschäftsführer den IT-Mitarbeitern außer Platitüden nichts anbieten wollte.
Er hat kein Geld für Arbeitsmittel, für Weiterbildung, für Gehaltserhöhungen.

Absurd wird es, als er die Prioritätenliste der Projekte nicht an die IT-Mitarbeiter weitergeben will.
Sie sollen gleichzeitig an verschiedenen Projekten arbeiten, ohne zu wissen, welche wichtiger und welche unwichtiger sind...

Auch ein Firmenorganigramm wird nicht weitergegeben, so dass die IT-Mitarbeiter nicht wissen, wer gerade für was der Ansprechpartner ist...
Allenfalls würde er diese Dinge mal mitbringen und herzeigen - wer ein gutes Gedächtnis hat, ist klar im Vorteil !

Dazu kommt dann noch das Hüh und Hott der Geschäftspolitik.
Projekte werden begonnen, gestoppt, durch andere, wichtigere ersetzt, dann das ganze wieder umgekehrt usw.
Projekte werden am Tag der Produktivsetzung abgesagt.

Man geht vollkommen unvorbereitet und planlos mit der Logistik ins Ausland, ist softwaretechnisch darauf nicht vorbereitet und zahlt heute mehr als mit der eigenen Logistik vorher und hat sich aber viele Probleme damit eingehandelt.

Mal ist Online wichtig, dann erkennt man den Katalog als wichtig, dann kommt wieder eine Kehrtwende zu Online.
Man wiederholt Fehler aus der Vergangenheit, Dinge von denen die Mitarbeiter abraten, macht es trotzdem und fällt damit natürlich auf die Nase.

Man entlässt langjährige Experten und holt sich von extern teure neue Mitarbeiter, die einen großen Schaden durch Experimente verursachen und trennt sich dann für viel Geld wieder von diesen.

Die Liste wäre noch beliebig verlängerbar, aber das sind wohl genug Gründe, warum Mitarbeiter die Firma verlassen, die es nicht nötig haben, sich hier weiter veralbern zu lassen.

Da die IT aber sowieso schon unverantwortlich unterbesetzt ist, ist der Herr Unternehmensberater, der Herr Investor, der nichts investiert, diese cholerische Sparversion von Donald Trump, der Mitarbeiter bei Besprechungen anschreit und zusammenscheißt, der "hire and fire" eine ganz neue Bedeutung gibt, der Mitarbeiter entlassen lässt, deren Nase ihm nicht passt oder die ihm widersprechen, der "unser" Weltbild nur durch Lügen und falsche Versprechungen überhaupt in die Finger bekam, dabei, uns endgültig kaputt zu sparen.


Donnerstag, 3. Mai 2018

Der Skandal ist ein anderer


Ein Kommentar aus der ver.di-Mitgliederzeitung publik.

SOZIALSTAAT

Der Skandal ist ein anderer

Nicht die Essener Tafel, die Armut ist das Problem


MARIA KNIESBURGES (CHEF­REDAKTEURIN DER VER.DI PUBLIK)

Was war das doch für eine Auf­regung. Sogar die Kanzlerin hat sich zu Wort gemeldet und wissen lassen, so gehe es nicht. Anlass war die Ankündigung des Vorsitzenden der Essener Tafel, für die kommenden Monate nur noch Bedürftigen mit deutschem Pass Zugang zu den Lebensmittel­spenden gewähren zu wollen. Grund sei der große Andrang junger Geflüchteter, die in Konflikte vor allem mit älteren deutschen Bedürftigen geraten seien. Ältere und alleinerziehende Mütter würden verdrängt, man ziehe daher die Notbremse. Und schon sahen sich die Ehrenamtlichen der Essener Tafel als Nazis beschimpft und von quasi höchster Regie­rungsstelle mit einem Tadel belegt. Große Aufregung über ehrenamt­liche Tafelbetreiber, die sich nicht mehr anders zu helfen wussten.

Wo aber bleibt die große Aufregung über den eigentlichen Skandal? Dass nämlich hunderttausende Menschen in unserem Land ohne die Lebensmittelspenden der Tafeln hungern müssten, und der Staat seine Verantwortung aufs Ehrenamt abschiebt. Wo bleibt die Empö­rung über den beschämenden Tatbestand, dass die Armut sich immer weiter hinein in dieses boomende Land frisst? Wo bleibt das kategorische Wort der christlichen Kanzlerin, dass das auf keinen Fall so weitergehen darf? Nichts. Kein Wort. Alles schön in unserem prima Sozialstaat. Und demnächst soll es auch noch mehr Kinder­geld geben, 10 Euro ab Januar 2019 und nochmals 15 ab 2021. Was will man mehr? Die Politik ist stolz auf sich. In Hartz-IV-Familien kommt allerdings auch damit kein Teller Suppe zusätzlich auf den Tisch. Denn Hartz-IV-Empfängern werden die paar Euro Kindergeld mehr als Einkommen wieder von dem mickrigen Regelsatz abge­zogen, der sie als Bedürftige in die Tafeln treibt.

Damit das endlich anders wird, haben sich 30 Sozialverbände, Initiativen und Gewerkschaften zusammengetan und neuerlich das Wort erhoben. Sie wollen eine Erhöhung der Regelsätze um rund 30 Prozent, also um bis zu 150 Euro. Richtig. Noch besser aber wäre die Abschaffung des menschverachtenden Hartz-Regimes. Und zwar sofort.

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