Montag, 20. Juni 2011
TV-Tipp: ZDFzoom - Das Recht des Stärkeren
Die Zeiten sind härter geworden für Arbeitnehmer in Deutschland.
Menschen, die ins Berufsleben einsteigen, erhalten häufig nur befristete Verträge. Die Zahl der "working poor", derer, die trotz Vollzeitarbeit Hartz IV beantragen müssen, steigt. In dem Film "Das Recht des Stärkeren", der am Mittwoch, 22. Juni 2011, 22.45 Uhr, in der Reihe "ZDFzoom" zu sehen ist, nehmen Günter Wallraff und Pagonis Pagonakis dubiose Kooperationen zwischen Arbeitgebern und unseriösen Anwaltskanzleien unter die Lupe.
Unter Einsatz einer versteckten Kamera ist es den Autoren gelungen, bei Seminaren zu drehen, in denen Arbeitgeber lernen, wie man "Unkündbare" los wird und wie man Arbeitnehmern Fallen stellt, um ihren Ruf zu schädigen. Die Betroffenen leiden oft noch jahrelang seelisch und körperlich an den Folgen dieses Vorgehens.
Günter Wallraff sucht Arbeitnehmer und Betriebsräte auf, die Opfer dieser bestürzenden Methoden geworden sind, spricht mit Arbeitsrechtlern, Betriebsseelsorgern und Mobbing-Experten. Er konfrontiert Rechtsanwaltskammern und versucht zu ergründen, warum niemand diesen Anwälten Einhalt gebieten kann oder will.
(Quelle ZDF Pressemitteilung)
Samstag, 11. Juni 2011
MitarbeiterInnen-Durchsuchung bei WELTBILD: erlaubt oder verboten?
Nachdem es zu unserem Artikel über die Betriebsversammlung zum Thema Taschenkontrolle so viele Diskussionsbeiträge gab, wollen wir den Sachverhalt hier nochmals darstellen: Was ist erlaubt, was ist verboten, und wie wird das im Betrieb geregelt?
Gesetze, Verträge und Vereinbarungen definieren den Rahmen, in dem wir arbeiten. Juristen nennen das "Rechte-Pyramide". Ganz oben stehen die Gesetze, z. B. das Arbeitszeitgesetz, das u. a. festlegt, dass niemand länger als 10 Stunden pro Tag bzw. 48 Stunden/Woche arbeiten darf.
Eine Stufe darunter sind die Tarifverträge, die von der Gewerkschaft mit den Arbeitgeberverbänden geschlossen werden. Hier ist z. B. vereinbart, dass wir nur 37,5 Stunden pro Woche arbeiten müssen – statt 48, die das Gesetz vorsieht.
Darauf folgen die Betriebsvereinbarungen. Das sind Verträge, die der Betriebsrat als Vertretung der Belegschaft mit der Geschäftsführung abschließt, und die damit für diesen Betrieb bindend sind. So hat der WELTBILD-Betriebsrat u. a. eine Betriebsvereinbarung "Arbeitszeit" abgeschlossen, in der z. B. die Gleitzeit, die Regeln der Zeiterfassung, die Servicezeiten usw. usf. geregelt werden.
Auf der untersten Stufe steht der Arbeitsvertrag der einzelnen MitarbeiterInnen. Hier wird – um im Beispiel zu bleiben – festgelegt, ob einE MitarbeiterIn an der Zeiterfassung teilnimmt oder darauf verzichtet.
Die "Rechte-Pyramide"
In der "Rechte-Pyramide" gilt die Regel "Ober toppt Unter". Das heißt: In einem Tarifvertrag darf nichts vereinbart werden, was den Gesetzen widerspricht. Themen, die dem Tarifrecht vorbehalten sind (z. B. Urlaubsanspruch) können in einer Betriebsvereinbarung nicht zum Nachteil der ArbeitnehmerInnen anders geregelt werden. Und last but not least haben Vereinbarungen im Arbeitsvertrag keine Gültigkeit, die den Abmachungen in Betriebsvereinbarungen zuwiderlaufen.
(Für KlugscheißerInnen: Es gibt natürlich auch Öffnungsklauseln, abweichende Regelungen für Leitende Angestellt etc. pp. – aber dieser Beitrag soll keine Jura-Vorlesung werden, sondern nur das Grundprinzip darstellen.)
Sind Durchsuchungen illegal?
In den Tarifverträgen sind Ausgangskontrollen in der Regel kein Thema. Im "Bayerischen Verlags- und Buchhandelstarif" steht jedenfalls kein Wort darüber.
Last Exit "Einigungsstelle"
Bleibt also die Betriebsvereinbarung. In §87 des Betriebsverfassungsgesetzes ist festgelegt, dass ein Arbeitgeber Kontrollen nicht ohne die Zustimmung des BR einfach anordnen kann. Also wird sich WELTBILD-Geschäftsführung mit dem BR auf eine Regelung – sprich: eine Betriebsvereinbarung – einigen müssen. Falls es zu keiner Einigung kommt, sieht das Gesetz eine sogenannte "Einigungsstelle" vor. Hier hört sich ein Richter die Argumente beider Parteien an und fällt dann einen Schiedsspruch, der letztlich den Inhalt der Betriebsvereinbarung festlegt. Diese ist dann für Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen bindend. (Keine Jura-Vorlesung ;-)
Das wiederum bedeutet: einfach "Bocken" wäre unklug! Wenn der BR der Einigungsstelle keinen eigenen Vorschlag für eine Regelung im Sinne der Belegschaft macht, entscheidet der Richter nur über den Vorschlag des Arbeitgebers. Wenn dieser Vorschlag gesetzeskonform ist, wird der Richter im Sinne des Arbeitgebers entscheiden – der BR hat dem ja argumentativ nichts entgegengesetzt.
Wenn der BR einen eigenen Vorschlag macht, wird der Richter abwägen: und zwar zwischen dem grundsätzlich berechtigten Interesse des Arbeitgebers, sein Eigentum zu schützen, und dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers, den der BR in diesem Fall einfordern wird.
Alles in allem also ein ziemlich komplexes Verfahren, für das es keine einfache Entweder-Oder-Lösung geben wird. Deshalb war es für den BR so wichtig, bei der Betriebsversammlung von der Belegschaft zu erfahren, was aus Sicht der MitarbeiterInnen gegen die geplanten Durchsuchungen spricht. Alle diese Einwände werden jetzt in den "Gegenvorschlag" des BR eingearbeitet und dann mit der Geschäftsleitung verhandelt. Wenn der BR dabei kein akzeptables Ergebnis erzielt, geht die Sache vor die Einigungsstelle, und der Richter entscheidet.
Freitag, 10. Juni 2011
Streiks erfolgreich: 5% mehr Lohn im Einzelhandel Baden-Württemberg
• 3,0 % Erhöhung der Entgelte in 2011 mit zwei Nullmonaten
• 36 Werktage Wochen Urlaub für alle
• Regelung der AGG relevanten Themen im Manteltarifvertrag
Damit wurde für dieses Jahr eine tabellenwirksame Entgeltsteigerung von 3 % durchgesetzt. Es ist weiter gelungen, die Tariferhöhung in 2012 ebenfalls tabellenwirksam zu gestalten (die Arbeitgeber wollten das partout nicht). Als großen Erfolg sehen wir die Regelung an, dass es nun 36 Werktage Urlaub für alle Beschäftigten gibt, was eine Erhöhung der unter 24 jährigen Beschäftigten um 4 Tage bedeutet.
Der Abschluss zeigt eindrucksvoll, was erreichbar ist, wenn sich ArbeitnehmerInnen organisieren und selbstbewusst für vernünftige Bezahlung und faire Arbeitsbedingungen eintreten. Wir gratulieren dem streikstärksten Landesbezirk zu diesem Erfolg.
Mittwoch, 1. Juni 2011
Betriebsversammlung: Glückwünsche der Geschäftsführung an alle, die zu Amazon wechseln!
Bei der heutigen Betriebsversammlung der Verlagsgruppe WELTBILD kamen viele Themen auf den Tisch: • Gesundheitsmanagement • Taschendurchsuchung • Kantinenessen • Leiharbeit und die • Ansiedlung von Amazon in der benachbarten Ortschaft Graben. Der Betriebsrat hatte eine informative und unterhaltsame Veranstaltung mit zahlreichen Einlagen und mehreren Gastrednern vorbereitet. Bei der Belegschaft kam die kurzweilige Versammlung sehr gut an. Verwundert reagierten die rund 800 MitarbeiterInnen auf eine Aussage des obersten Geschäftsführers Carel Halff zum Thema Amazon. Der konkurrierende Versandhändler sucht mit Hochdruck Personal für sein Logistikzentrum, das in der Nähe von Augsburg gebaut wird. Die Geschäftsführung sieht die neue Konkurrenzsituation offenbar mit allergrößter Gelassenheit.
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)
Als Fortsetzung des GRAziL-Projekts installieren Betriebsrat und Geschäftsführung derzeit gemeinsam ein ehrgeiziges Programm mit dem etwas sperrigen Namen »Betriebliches Gesundheitsmanagement«. Die BetriebsrätInnen Johannes Ihmenkamp, Tanja Sedlmeier und Angelika Jahnke stellten Inhalt und Ziele des Gesundheitsprogramms vor. Der Leiter der Unternehmensentwicklung, Matthias Haack, erläuterte die Organisation des Projekts. Geschäftsführung und Betriebsrat treiben die Arbeit mit großem Engagement gemeinsam voran und entscheiden gleichberechtigt über die zu ergreifenden Maßnahmen. Das BGM wird mit großem personellen Aufwand vorangetrieben – keine Selbstverständlichkeit in Zeiten knapper Mittel, wie Haack betonte. Im Unterschied zu GRAziL umfasst das BGM nicht nur die Bereiche Lager & Versand, sondern soll auch für zahlreiche Verbesserungen im Angestellten-Bereich sorgen.
»Meine Tasche gehört mir!«
Unter diesem Titel führten die Betriebsräte Peter Hellriegel und Raimund Wegemer einen pointierten Sketch auf. Die Einlage zeigte anschaulich, wie die Ausgangskontrollen ablaufen könnten, wenn es nach dem Willen der Geschäftsführung geht. Betriebsrat Timm Boßmann moderierte den Programmteil und machte deutlich, dass der BR ein weitreichendes Mitspracherecht bei der Gestaltung der geplanten Taschendurchsuchungen hat. Die zahlreichen kritischen Reaktionen der KollegInnen zeigten, dass vieles an den Plänen noch unausgegoren ist. Hier werden Betriebsrat und Geschäftsführung intensiv um eine Betriebsvereinbarung ringen müssen, die den Interessen des Unternehmens und dem der MitarbeiterInnen gleichermaßen gerecht wird.
»Uns schmeckt's nicht.«
Mit roten, gelben und grünen Kärtchen benoteten die MitarbeiterInnen das derzeitige Angebot des Kantinenbetreibers Eurest. Leider gab es überwiegend mittelmäßige und negative Noten für die Qualität des Mittagessens. Betriebsratsvorsitzender Peter Fitz sprach für den Kantinenausschuss: Offenbar muss man den Anbieter immer wieder unter Druck setzen, um zumindest eine kurzfristige Verbesserung der Qualität zu erreichen. Im Ausschuss will man jetzt gemeinsam mit Eurest nach Möglichkeiten für eine dauerhafte Verbesserung suchen.
Prekäre Beschäftigung bei WELTBILD
Obwohl die Kirchen eine klare Position zum Thema »Leiharbeit« vertreten, beschäftigt auch der katholische Arbeitgeber WELTBILD dauerhaft zwischen 300 und 1.600 LeiharbeitnehmerInnen. Dolores Sailer und Michael Haugg vom Betriebsrat stellten die unwürdigen Arbeitsbedingungen in einem kleinen Frage-und-Antwortspiel vor. Die LeiharbeiterInnen verdienen bei gleicher Arbeit deutlich schlechter als die Stammbelegschaft. Viele von ihnen sind trotz Vollzeitarbeit auf Hartz-IV-Zuschüsse angewiesen. Außerdem haben diese KollegInnen keinerlei Sicherheit für sich und ihre Familien, da sie permanent von kurzfristiger Kündigung bedroht sind.
Halff: »Gewerkschaften müssen bessere Tarife durchsetzen!«
Zum Thema Leiharbeit hatte der Betriebsrat die katholischen Betriebsseelsorger Erwin Helmer und Hans Gilg eingeladen. Die beiden Kirchenmänner verurteilten die Bedingungen der Leiharbeit aufs Schärfste und forderten WELTBILD als kirchliches Unternehmen auf, nach christlichen Grundsätzen zu handeln. Geschäftsführer Carel Halff misshagte die deutliche Kritik ganz offensichtlich. Er sieht die Verantwortung in der Politik und bei den DGB-Gewerkschaften, die entsprechende Tarifverträge zugelassen haben. Die Gewerkschaften müssten eben »ihren Job machen«, meinte Halff.
Außerdem verwies er darauf, dass WELTBILD im Januar 50 LeiharbeitnehmerInnen in feste Beschäftigungsverhältnisse übernommen habe, und kündigte für den Sommer die Übernahme von 50 weiteren KollegInnen an. Betriebsratsvorsitzender Peter Fitz begrüßte diese Planung, machte aber auch deutlich, dass der BR keine Einzelmaßnahmen zum Ziel hat, sondern die Bedingungen der Leiharbeit bei WELTBILD in einer Betriebsvereinbarung grundsätzlich regeln will.
»Angst vor Amazon, Herr Halff?«
Unter dieser Überschrift hatte der BR den Geschäftsbericht angekündigt. Er wollte wissen, was WELTBILD in der direkten Konkurrenzsituation tun wird, um wertvolle MitarbeiterInnen im Unternehmen zu halten. Angst ist dem WELTBILD-Geschäftsführer offensichtlich fremd. Konkurrenz belebe nicht nur das Geschäft, sondern sei auch positiv für MitarbeiterInnen und Kundschaft. »Wenn Sie bei Amazon einen besseren Job mit einem höheren Gehalt angeboten kriegen, bewerben Sie sich noch heute. Ich werde persönlich jeden beglückwünschen, der bei Amazon eine Stelle bekommt.« Diese Demonstration arbeitgeberischen Selbstbewusstseins wurde von der Belegschaft mit pikiertem Schweigen aufgenommen. Die nahe Zukunft wird zeigen, wieviele Ex-Mitarbeiter-Hände der Geschäftsführer demnächst schütteln muss. Nach Informationen des Betriebsrats haben sich bereits mehrere Dutzend KollegInnen beworben. Erste Verträge sollen schon unterschrieben sein.