In den vergangenen Jahren hat in Deutschland eine bis dahin unvorstellbare Umverteilung des Reichtums von unten nach oben stattgefunden. Etwa die Hälfte der Bevölkerung hat so gut wie nichts auf der hohen Kante – dagegen besitzen die reichsten zehn Prozent mehr als 60 Prozent des Vermögens. Der Anteil am Volksvermögen, der erarbeitet wird, ist drastisch gesunken.
Von der Finanz- und Wirtschaftskrise wurden die Reichen nur kurzfristig tangiert, obwohl sie wesentlich dazu beigetragen haben. Inzwischen geht es für sie wieder steil nach oben: 860.000 Dollar-Millionäre leben heute in Deutschland – sechs Prozent mehr als zu Zeiten der Krise. Derweil müssen sich immer mehr Menschen mit Niedriglöhnen über Wasser halten.
Der Staat blutet finanziell aus
Nicht nur die Unternehmen drücken auf die Kosten – der Staat ebenso. Gekürzt wurde in den vergangenen Jahren vor allem bei Erwerbslosen und den Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Aber auch öffentliche Einrichtungen und Infrastruktur gelten vielerorts als nicht mehr bezahlbar: 60 Prozent der Gemeinden planen drastische Einschränkungen ihrer Leistungen.
Dennoch verbreiten die Reichen und ihre politischen Vertreter Jubelmeldungen über unerwartet hohe Steuereinnahmen und fordern – wie üblich – Steuersenkungen. Tatsache aber ist: Der Staat nimmt heute 35 Milliarden Euro weniger ein als vor der Krise. Die positiven Meldungen resultieren allein aus der Differenz zwischen einer pessimistischen Steuerschätzung und der tatsächlichen Entwicklung.
Keine Frage also: So kann und darf es nicht weitergehen. Tatsächlich hat der Staat immer weniger Geld für notwendige öffentliche Aufgaben. Bibliotheken, Schwimmbäder und Beratungsangebote werden abgebaut oder die Zutrittspreise dafür erhöht: Wer nicht genug Geld hat, kann sie nicht nutzen. Das ist nicht nur äußerst ungerecht, sondern auch fatal für ein demokratisches Gemeinwesen.
Eine Steuerreform ist überfällig
ver.di fordert deshalb grundlegende Steuerreformen: Die Reichen müssen endlich angemessen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben beitragen. Die Gewerkschaft hat ein einnahmeneutrales Konzept für eine gerechtere Lohn- und Einkommenssteuer vorgelegt. Das Motto: Unten entlasten – oben belasten. Zum einen verlangt ver.di, dass der Eingangssteuersatz nicht länger viel steiler ansteigt als bei höheren Einkommen. Zum zweiten sollten ab 60.000 Euro Jahreseinkommen für einen Alleinstehenden 50 Prozent an den Staat gehen, ab zwei Millionen Euro 80 Prozent. Das ist keineswegs besonders hoch gegriffen; in den 1990er Jahren lag der Spitzensteuersatz bei 53 Prozent. Außerdem müssen die Finanzämter die Chance bekommen, die Angaben der Steuerpflichtigen besser zu kontrollieren.
Auch Vermögende und Erben müssen zahlen
Ein besonderer Skandal ist, dass seit 1997 in Deutschland keine Vermögenssteuer mehr erhoben wird. Sie muss schnellstens wieder eingeführt werden. Auch die Erbschaftssteuer trägt bisher so gut wie nichts zur Finanzierung der Staatsaufgaben bei. Jährlich werden schätzungsweise 150 bis 250 Milliarden Euro vererbt – Geld, dem nicht die geringste eigene Leistung der Begünstigten gegenübersteht. Doch nur etwa vier Milliarden Euro davon landen bei den Länderfinanzministern. Im Klartext: Der durchschnittliche Steuersatz auf Erbschaften liegt bei mickrigen 2 Prozent.
Außerdem liegen seit Jahren Vorschläge für eine Finanztransaktionssteuer auf dem Tisch. Sogar Kanzlerin Angela Merkel führte sie nach der Finanzkrise im Munde – doch umgesetzt wurde davon bisher nichts. Stattdessen hat sich der Staat zur Rettung maroder Banken extrem verschuldet.
Auf den Punkt gebracht
Seit Jahren magert der Staat zugunsten weniger Bürger/innen und Unternehmen immer weiter ab. Zugleich geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auf. Die Finanz- und Wirtschaftskrisen verschärfen die Lage weiter. Nicht zuletzt im Interesse von Gerechtigkeit und Gemeinwohl fordert ver.di eine grundlegende Wende in der Steuer- und Finanzpolitik.
Quelle. www,verdi.de