So wie in diesem Film geht es bei WELTBILD sicher nicht zu. Aber auf die Frage "Sind Sie heute schon gelobt worden? Oder in der letzten Woche, letzten Monat oder im vergangenen Jahr?" konnte fast niemand der 800 MitarbeiterInnen auf den beiden Betriebsversammlungen mit "Ja" antworten.
Betriebsrat Peter Hellriegel warb in seiner Rede für mehr Respekt im Umgang miteinander. Als sichtbares Zeichen zur Verbesserung des Betriebsklimas hatte der Betriebsrat Buttons fertigen lassen und zusammen mit einer Extra-Ausgabe des Pickers auf allen Stühlen ausgelegt. Die Aktion kam bei der Belegschaft sehr gut an, viele steckten sich den kleinen Smiley gleich ans T-Shirt.
Zuvor hatte Betriebsseelsorger Erwin Helmer von den unhaltbaren Zuständen bei der Friedberger Landbäckerei Ihle berichtet und für Solidarität mit dem BR-Vorsitzenden Lothar Rother geworben: "Ein absolut respektabler Mann!" Die Geschäftsführung der Bäckerei-Kette Ihle hat den PC des Betriebsrats mit einem Trojaner ausspioniert und steht deshalb gerade vor Gericht (wir berichteten).
Aber zurück zu WELTBILD: In den letzten Wochen wurde viel über die Stiftung diskutiert, die unser Unternehmen zukünftig übernehmen soll. Betriebsrat Timm Boßmann fasste noch einmal kurz zusammen, was das für die Belegschaft bedeutet, und beantwortete die Fragen aus dem Publikum.
Betriebsratsvorsitzender Peter Fitz berichtete unter anderem von Fortschritten bei der Einführung des Betrieblichen Eingliederungs-Managements (BEM) und freute sich "über einen historischen Tiefstand der Leiharbeit". Derzeit sind nur noch 50 LeiharbeiterInnen bei WELTBILD beschäftigt. Das ist das Ergebnis mehrerer Betriebsvereinbarungen, die in Summe für über 450 neue Festanstellungen zu Tarifbedingungen sorgten. Diesen beispiellosen Erfolg lobte auch Hans Gilg von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), der bei der zweiten Versammlung am Nachmittag zu Gast war.
Ein weiteres Thema war wieder einmal die Bürosituation im Neubau. Viele Büros sind mit bis zu 6 (!) MitarbeiterInnen völlig überbelegt: "Das erinnert an Käfighaltung!" Personalchef Michael Seher versprach einen Stufenplan, um die Belegung zurückzufahren und wieder ein vernünftiges, konzentriertes Arbeiten zu ermöglichen.
Ein weiteres Thema aus dem Verwaltungsbereich ist die geplante Neuordnung der Arbeitszeiten für BüroarbeiterInnen. Timm Boßmann stellte das geplante "Ampelmodell" dar und beschrieb die Probleme der "Nicht-Stempler": "Es kann nicht sein, dass Leute in Tarifgruppe IV oder V ohne Stempelkarte kostenlos Mehrarbeit leisten müssen!" Der Verzicht auf die Stempelkarte müsse mit deutlichen Lohnaufschlägen honoriert werden: "Alles andere ist ein ganz schlechtes Geschäft für die MitarbeiterInnen." Dabei wies Boßmann darauf hin, dass nach der derzeitig gültigen Betriebsvereinbarung jedeR ein Recht auf eine Stempelkarte habe, auch die sogenannten "Außertariflichen": "Wenn Sie ihre Karte zurückhaben wollen, kommen Sie ins Betriebsratsbüro, wir gehen zusammen in die Personalabteilung und holen Ihre Karte wieder!"
Zum Ende des Geschäftsjahres zogen die Geschäftsführer Carel Halff bzw. Dr. Martin Beer Bilanz. Die Verlagsgruppe hat demnach trotz schwieriger Branchenlage einen positiven Abschluss erzielt. Vor allem aber sei man für die Zukunft bestens aufgestellt: Im Gegensatz zu Mitbewerbern wie Amazon verfügt WELTBILD über ein ausgebautes Filialnetz, starke Katalog-Werbung und punktet bei den KundInnen mit redaktioneller Kompetenz und vielen Eigenausgaben. Im nächsten Jahr werde die Renovierung der IT-Landschaft abgeschlossen und das neue automatische Kisten-Lager in Betrieb genommen. Dann werde die Nummer 2 im deutschen Buchhandel noch ein Stück näher an den Marktführer Amazon heranrücken.
Zu Amazon nahm auch ver.di-Sekretär Thomas Gürlebeck Stellung. Die miesen Arbeitsbedingungen zum Beispiel im Amazon-Lager in Graben sorgten für eine Wettbewerbsverzerrung: "Ich mache im Bekanntenkreis gern Werbung für WELTBILD: Mag sein, dass euer Paket 12 Stunden länger unterwegs ist, aber dafür sind die Arbeitsbedingungen im Großen und Ganzen in Ordnung!" Gürlebeck lobte die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung. Auch wenn man unterschiedliche Positionen vertrete, gebe es am Ende meist gemeinsame Ergebnisse: "Der Zukunftstarifvertrag und die Betriebsvereinbarungen zur Leiharbeit sind sehr positive Beispiele."
Für die kommende Tarifrunde kündigte Gürlebeck Lohnforderungen von 6% und mindestens 110 Euro für die unteren Tarifgruppen an: "Aber da werden wir uns wahrscheinlich noch ein bisschen streiten müssen", grinste der Gewerkschafter, der am Mittwoch einen sehr sympathischen und von der Belegschaft viel gelobten Auftritt hinlegte.