Donnerstag, 3. Mai 2018

Der Skandal ist ein anderer


Ein Kommentar aus der ver.di-Mitgliederzeitung publik.

SOZIALSTAAT

Der Skandal ist ein anderer

Nicht die Essener Tafel, die Armut ist das Problem


MARIA KNIESBURGES (CHEF­REDAKTEURIN DER VER.DI PUBLIK)

Was war das doch für eine Auf­regung. Sogar die Kanzlerin hat sich zu Wort gemeldet und wissen lassen, so gehe es nicht. Anlass war die Ankündigung des Vorsitzenden der Essener Tafel, für die kommenden Monate nur noch Bedürftigen mit deutschem Pass Zugang zu den Lebensmittel­spenden gewähren zu wollen. Grund sei der große Andrang junger Geflüchteter, die in Konflikte vor allem mit älteren deutschen Bedürftigen geraten seien. Ältere und alleinerziehende Mütter würden verdrängt, man ziehe daher die Notbremse. Und schon sahen sich die Ehrenamtlichen der Essener Tafel als Nazis beschimpft und von quasi höchster Regie­rungsstelle mit einem Tadel belegt. Große Aufregung über ehrenamt­liche Tafelbetreiber, die sich nicht mehr anders zu helfen wussten.

Wo aber bleibt die große Aufregung über den eigentlichen Skandal? Dass nämlich hunderttausende Menschen in unserem Land ohne die Lebensmittelspenden der Tafeln hungern müssten, und der Staat seine Verantwortung aufs Ehrenamt abschiebt. Wo bleibt die Empö­rung über den beschämenden Tatbestand, dass die Armut sich immer weiter hinein in dieses boomende Land frisst? Wo bleibt das kategorische Wort der christlichen Kanzlerin, dass das auf keinen Fall so weitergehen darf? Nichts. Kein Wort. Alles schön in unserem prima Sozialstaat. Und demnächst soll es auch noch mehr Kinder­geld geben, 10 Euro ab Januar 2019 und nochmals 15 ab 2021. Was will man mehr? Die Politik ist stolz auf sich. In Hartz-IV-Familien kommt allerdings auch damit kein Teller Suppe zusätzlich auf den Tisch. Denn Hartz-IV-Empfängern werden die paar Euro Kindergeld mehr als Einkommen wieder von dem mickrigen Regelsatz abge­zogen, der sie als Bedürftige in die Tafeln treibt.

Damit das endlich anders wird, haben sich 30 Sozialverbände, Initiativen und Gewerkschaften zusammengetan und neuerlich das Wort erhoben. Sie wollen eine Erhöhung der Regelsätze um rund 30 Prozent, also um bis zu 150 Euro. Richtig. Noch besser aber wäre die Abschaffung des menschverachtenden Hartz-Regimes. Und zwar sofort.

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