Freitag, 25. Juni 2010

Das Wort zum Freitag: Lizenz zum Platzverweis


Die Welt ist ungerecht: im Arbeitsleben wie beim Fußball. Für das »unerlaubte« Einlösen herrenloser Leergut-Bons im Wert von €1,30 wurde Supermarkt-Kassiererin Emmily vor die Tür gesetzt – fristlos. Nach 31 Dienstjahren die Rote Karte! Wegen »Vertrauensverlust« – aha!

Gut, dass Emmily jetzt wieder arbeiten darf. Doch sie musste erst vors Bundesarbeitsgericht ziehen, um Gerechtigkeit zu erkämpfen.

Wenn Schiedsrichter auf dem Fußballfeld pfeifen, ist die Gerechtigkeit in der Regel nur eine laues Lüftchen auf dem Rasen, dass kaum die Eckfahnen bewegt – und mal aus der einen, mal aus der anderen Richtung weht. Zieht der Unparteiische nach jähem Pfiff eine bunte Karte, so hat er die Gerechtigkeit nicht selten im Umkleidekabinen-Spind vergessen. So jedenfalls bei dieser Fußballweltmeisterschaft.

Schiedrichter bestrafen jeden leichten Körperkontakt mit einer gelben Karte und ahnden das zärtliche Streicheln einer erhitzten Wange mit Rot. Dem Liebkosten, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht stöhend im Gras hin und her windet, verweigern sie allerdings den Oskar für die beste schauspielerische Leistung in der Kategorie »Sterbender Schwan«. Ist das gerecht?

Für den zaghaften Versuch eines Mittelfeldspielers, dem Gegner mal den Ball abzuluchsen (ganz gewaltfrei!), wenn der ihn schon nicht freiwillig hergibt, gibt es Gelb-Rot. Da müsste eine kleine Grätsche ja mit zweimal lebenslänglich plus anschließender Sicherheitsverwahrung bestraft werden. Und eine Blutgrätsche mit öffentlicher Steinigung!

Aber leider haben auch Schiris die FIFA-Lizenz zum Platzverweis erhalten, die bei einem gut gezielten Wadenbeinbrecher-Tritt noch nicht einmal in die Trillerpfeife pusten. Während andere Referees bereits Gelb ziehen, wenn der Innenverteidiger dem heranstürmenden Stürmer in die Augen schaut.

Ein beherzter Griff an den Hals? Ganz normaler Zweikampf – die Pfeife bleibt stumm. Ein heftiger Punch mit dem Ellbogen auf den Wangenknochen? Allerwelts-Foul – Freistoß.

Der eine Schiri wirft mit Karten nur so um sich. Der andere findet sie nicht. Und die Folgen? Ganze Nationen versinken in der Depression, Regierungschefs erwägen die Kriegserklärung.

Nur weil der Pfeifenkerl aus Saudi-Arabien oder Spanien oder Japan … von den Mopani (frittierte Raupen), die er zum Mittagessen speiste, Sodbrennen bekommen hat. Oder weil ihm von dem endlosen Getröte der »Uwe Seelers« der Schädel brummt. Oder weil ihm nachts im Hotelbett die heimische Nackenrolle mit Dinkelfüllung fehlt.

Die Welt ist ungerecht! Aber wenigsten Emmily spielt wieder: in der Abwehr an der linken Kasse – für Deutschland.

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