Freitag, 6. April 2012

Das Wort zum Freitag – Die Mitleids-Partei

Früher trug die sich liberal nennende Partei Deutschlands noch drei Pünktchen im Namen (F.D.P.), heute erreicht sie in Umfragen kaum noch drei Prozent. Ist es die pure Lust an der Selbstzerstörung, die freiheitliche »Spitzenpolitiker« umtreibt, oder führt eine geradezu pathologische Borniertheit gepaart mit krampfhafter Bockigkeit dazu, dass Rösler, Zeil, Döring und andere Partei-Strategen sich als Kamikaze-Piloten versuchen?

Erst lassen sie als aufrechte Ordungspolitiker die Transfergesellschaft für die Schlecker-Frauen platzen – und dann äußern sie Verständnis für die Schweizer Haftbefehle gegen deutsche Steuerfahnder. So wird euer Kampf ums politische Überleben mit Sicherheit scheitern, liebe Freidemokraten – und das alte Etikett »Partei der Besserverdienenden« erlebt ein fröhliches Revival. Mit dem Standpunkt »der freie Markt wird’s schon richten« und der unkontrollierten Ausdünstung sozialer Kälte ist zur Zeit beim Wahlvolk kein Blumentopf zu gewinnen.

Dass die »Protestpartei« der Piraten jetzt mehr und mehr urliberale politische Positionen besetzt und ihre Umfragewerte in die Höhe schnellen, dürfte die Existenzangst der FDP-ler noch verstärken. Und vielleicht gibt es ja auch schon Zahnärzte, Steuerberater oder Immobilienmakler, die sich ernsthaft die Frage stellen: Wozu brauchen wir die FDP eigentlich noch? Ja wozu eigentlich? …

Man kann der FDP durchaus vorwerfen, dass sie im Laufe ihrer bundesrepublikanischen Geschichte immer wieder mal abrupte Kurswechsel und radikale Schwenks vollzogen hat, um an der Macht zu bleiben oder an selbige zu gelangen. Doch früher hatte die Partei noch Charakterköpfe in ihren Reihen, Politikerinnen und Politiker mit Profil, Ecken und Kanten und rhetorischen Qualitäten: so sehr man auch über Inhalte und Ziele ihrer Politik streiten mochte.

Ich denke da an Mischnick, Hirsch und Baum, Hamm-Brücher und Graf Lambsdorff – und sogar an den »Riesenstaatsmann Mümmelmann«, wie Franz-Josef Strauß einmal – herrlich despektierlich – Jürgen Möllemann bezeichnet hat. Der 18-Prozent-Jürgen war ja furios durchgestartet und hatte die Partei so richtig aufgemischt, war dann allerdings recht unsaft gelandet.

Doch wie ist es um das liberale Partei-Personal von heute bestellt? Ich da sehe nur Nasenbären wie Rainer Brüderle, den Schwarm aller Weinköniginnen, Fahrerflucht-Spezialisten und Provokateure wie Patrick Döring, nette Jungs von nebenan wie Philipp Rösler und Schnellaufsteiger wie Daniel Bahr, der auf seiner persönlichen Homepage verlauten lässt: »Meine mich antreibende liberale Motivation war und ist die Freiheit des Bürgers und dessen Bewahrung vor staatlicher Bevormundung.« Auf einen Politiker, der zu einer solch intellektuellen und zukunftsweisenden Offenbarung fähig ist, kann unsere Demokratie nicht verzichten!

Falls die Liberalen sich (wider Erwarten) doch noch berappeln werden und ihnen der Einzug in das ein oder andere Parlament gelingen sollte, wäre meines Erachtens dafür vor allem ein Faktor verantwortlich: das Mitleid der Wähler. Denn wer könnte wirklich einen weinenden Philipp Rösler ertragen, der mit tränenerstickter Stimme und beschlagener Brille in die Mikros nuschelt: »Der liberale Gedanke lebt weiter!«

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