Stell Dir vor, Du erbst nichts, Du nennst keine Häuser Dein eigen, hortest kein Vermögen und bist nicht Firmenchef. Also musst Du vom Lohn deiner Arbeit leben. Stell dir vor, du müsstest diesen Lohn selbst mit Deinem Chef aushandeln. Du rechnest ihm vor, was Deine Arbeit wert ist, wie er Deine besondere Qualifikation vergüten und die Belastungen der Schichtarbeit ausgleichen sollte.
Klar, das grenzt an Bettelei. Damit es dazu nicht kommt, gibt es Tarifverträge. Die werden zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften ausgehandelt und geschlossen. Ein schriftlicher Vertrag, rechtlich abgesichert und einklagbar. Damit der Chef nicht plötzlich auf die Idee kommt, weniger zu zahlen oder Urlaubstage zu streichen. Im Tarifvertrag sind neben Lohn und Gehalt auch die Arbeitsbedingungen geregelt, etwa die Dauer der Arbeitszeit oder des Urlaubs.
Besser als jedes Gesetz
Wer Gesetze mit Tarifverträgen vergleicht, wird schnell feststellen, dass die Regelungen in Tarifverträgen um vieles besser sind. Ein Beispiel: Das Bundesurlaubsgesetz sieht 24 Urlaubstage pro Jahr vor, allerdings auf die sechs Werktage einer Woche gerechnet. Macht vier Wochen Urlaub. In vielen Tarifbereichen gibt es für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aber 30 Tage, und zwar die Woche zu fünf Tagen gerechnet, weil der Samstag – ebenfalls durch Tarifvertrag – meistens frei ist. Macht sechs Wochen Urlaub. Oder das Urlaubsgeld: Das Extrageld für den Urlaub gibt es nur in Tarifverträgen. Je nach Branche erhalten Beschäftigte in mittleren Lohn- und Gehaltsgruppen zwischen 155 und 2000 Euro.
Jedes Jahr etwas mehr Geld bekommen, das ist keineswegs die Regel. Ob es der Gewerkschaft gelingt, eine Tariferhöhung oder bessere Arbeitsbedingungen mit dem Arbeitgeberverband aushandeln, hat nicht allein mit Verhandlungsgeschick zu tun, sondern damit, ob genügend Druck gemacht wird. Das können Protestaktionen und Kundgebungen sein, doch am wirkungsvollsten ist die Arbeitsniederlegung. Der Streik ist das wichtigste Mittel im Arbeitskampf, um den Druck auf die Arbeitgeber so zu erhöhen, dass sie am Verhandlungstisch einlenken. Der Druck ist umso mächtiger, je mehr Beschäftigte die Arbeit niederlegen. Ohne Streik verkäme eine Tarifverhandlung zur kollektiven Bettelei, hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt. Wie stark eine Gewerkschaft ist, hängt von der Zahl ihrer Mitglieder ab. Die Grundformel ist einfach: Je mehr Mitglieder sich engagieren, desto größer ist die Durchsetzungskraft und desto besser ist der Tarifvertrag.
Quelle: ver.di Homepage
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