Ein trauriges Bild: In der sogenannten Dachser-Halle, aus der einst über 400 Filialen beliefert wurden, traf sich am Montag der klägliche Rest der WELTBILD-Belegschaft zur Betriebsversammlung. Wo einst die Sortieranlage in der Größe eines Einfamilienhauses mit Etikettier-Robotern und Fördertechnik um die Wette ratterte, stehen heute Bierbänke. Die hat man sich von einer Brauerei geliehen. Drumherum ist noch sehr viel freier Platz. Auf den Bänken sitzen vielleicht 400 Menschen, also zwei Drittel der Rest-Belegschaft, die einst 2.400 Köpfe zählte.
Die Stimmung ist ruhig. Sind die KollegInnen gelassen, oder erwarten sie einfach nichts mehr? Direkt nach der Pleite Anfang 2014 war das noch anders. Damals war viel Angst in den Gesichtern zu lesen. Aber auch die Entschlossenheit, alles zu geben, um WELTBILD doch noch irgendwie zu retten. "Wir sind alle Weltbild", stand auf den Plakaten zu lesen und auf Buttons, die sich die KollegInnen angesteckt hatten.
Mitte 2014 schien die Trendwende sogar geschafft. Nach einem herben Personalschnitt war immerhin noch rund die Hälfte der ursprünglichen Belegschaft an Bord. Im Sommer 2014 wurde Walter P. Droege als neuer Investor mit tosendem Applaus willkommen geheißen. Der Milliardär aus Düsseldorf war angetreten, um den "gesunden Kern" von WELTBILD zu neuen Erfolgen zu führen. Er setze auf den Einsatz und die Leistungsfähigkeit der WELTBILD-Beschäftigten, hieß es. Die Identifikation mit dem Betrieb sei bei WELTBILD außergewöhnlich hoch, habe man in Düsseldorf erkannt. Das sei der Erfolgsfaktor für die Zukunft.
WELTBILD Stück für Stück kaputtgemacht
Nach den warmen Worten folgte eine kalte Dusche der anderen: Die Logistik wurde erst abgespalten und dann zielstrebig in eine Folgeinsolvenz geführt. Eine andere Firma aus dem Droege-Imperium hat bessere Verwendungsmöglichkeiten für die wertvollen Immobilien, die ihr durch den Insolvenz-Deal zufielen. Zukünftig soll WELTBILD über einen Partner in Tschechien ausliefern. Dort ist bis jetzt aber nur eine Baustelle.
Das Filial-Netz des einstmals größten Buchhändlers Europas wurde in mehreren Schritten auf weniger als ein Viertel zurückgeschnitten. Dazu scheute Droege auch nicht vor der Allianz mit einer dubiosen Scheinfirma zurück, die ebenfalls absehbar pleite ging. Die Beschäftigten dieser Filialen schickte man ohne nennenswerten Sozialplan in die Arbeitslosigkeit.
In der Verwaltung wurde hin und her und her und hin restrukturiert, begleitet von weiteren Entlassungswellen. Der Betriebsrat kämpfte bis zuletzt für einen besseren Businessplan und gegen die Kündigungen. Am Ende meldeten sich viele KollegInnen freiwillig für die Transfergesellschaft. Sie hatten die Hoffnung aufgegeben.
Nun also sitzt der traurige Rest der WELTBILD-Mannschaft in der stickigen Dachser-Halle. An den Wänden die typischen Hinterlassenschaften eines eiligen Auszugs: kaputte Paletten, Verpackungsmaterial, Elektroschrott. Vorne am Rednerpult die Geschäftsführung. Sie dankt den Beschäftigten für ihren Einsatz. Die lassen die Köpfe hängen. Die Kostenreduktion sei erfolgreich gewesen, sagt die Geschäftsführung. Die Blicke schweifen durch die leergeräumte Halle: 10.000 Kubikmeter heiße, abgestandene Luft. Jetzt wolle man wieder nach vorn, verspricht die Geschäftsführung, "raus aus der Abwärts-Spirale!" Niemand klatscht.
Der Betriebsrat hätte sich lieber geirrt
Der Betriebsrat ergänzt, was die Geschäftsführung vergessen hat zu erzählen: Zum Beispiel, dass der Betrieb des Spielzeugversenders KIDOH in den nächsten Wochen eingestellt werden wird. Es lohne nicht mehr, hatte die Geschäftsführung eine Woche zuvor mitgeteilt und weitere Entlassungen angekündigt.
Der Betriebsrat hält nichts von dem Plan, die Logistik in Augsburg stillzulegen. Aber wenn, dann müsse man wenigstens dafür sorgen, dass in Tschechien auch alles funktioniere. Das sei bisher keinesfalls gesichert.
"Wir haben in den letzten zwei Jahren viel öfter recht gehabt, als wir es uns selber gewünscht hätten", stellt die Interessenvertretung klar. "Zwei verlorene Jahre", nennt es der Gewerkschaftsvertreter. Man hätte sich lieber geirrt, sagt der Betriebsrat, und verweist zum gefühlten 100.000sten Mal auf die Kompetenz und Erfahrung der MitarbeiterInnen. Vielleicht ist die Geschäftsführung nach der zwei Jahre währenden Talfahrt jetzt doch bereit zuzuhören? Applaus der Beschäftigten, keine Reaktion der Geschäftsführung. Niemand stellt eine Frage.
Am Ende stürmt eine Kollegin aus der Logistik über ein Ladetor in die Halle hinein. Sie entert das Rednerpult. Im kommenden Jahr wird sie arbeitslos sein, zusammen mit über 300 anderen KollegInnen aus der Logistik. Ausnahmslos alle müssen gehen: "Nach über 20 Jahren, in denen wir fleißig waren." Sie kann es einfach nicht verstehen.
Es ist vorbei. Jemand ruckelt das Rednerpult hinüber zu dem anderen Schrott bei der Wand. Draußen ist Badewetter. Die KollegInnen drängen die Rampe hinunter und verstreuen sich über den stillgelegten Ladehof. Nächste Woche wird auch dieses Gelände an den Vermieter zurückgegeben.
Ja auch bei uns ein trauriges Bild. Kein Geschäftsführer mehr. Keine Warenwirtschaft mehr!!! Kein Konzept, rein gar nichts.... Nur noch Anarchie.
AntwortenLöschenDie Kompetenz und Erfahrung der Mitarbeiterinnen wird nach wie vor ignoriert... Schade.
was war eigentlich gemeint mit dem Kommentar "Gesellschafterwechsel" bei bücher.de...? Das habe ich nicht kapiert? bücher.de gehört doch Weltbild? Die Chefs haben bücher.de doch so gelobt auf der Betriebsversammlung? Hab ich da was verpasst?
AntwortenLöschenWeltbild im SELBSTZERSTÖRUNGS MODUS
AntwortenLöschenMit der Lieferung in Zukunft aus Tschechien laufen Weltbild die Kunden HAUFENWEISE davon es dauert jetzt schon ewig aber aus Tschechien wird es Wochehlang dauern. Schade das Weltbild sich jetzt ganz KAPUTT macht!!!
Gehört buecher.de überhaupt noch zu Weltbild? Wahrscheinlich nicht, aber sowas erfährt das Fußvolk ja nicht.
AntwortenLöschenBald hat es der Dröge geschafft, die Logistik-Immobilien hat er für ein Butterbrot bekommen und Weltbild ist von der Bildfläche verschwunden.
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