Dienstag, 25. Oktober 2016

So könnte die Arbeit der Zukunft aussehen


Wir schreiben das Jahr 2020. Die Arbeitswelt hat sich gewaltig verändert. Die Menschen sind fast ausschließlich "Cloud Worker". Festanstellungen gibt es so gut wie gar nicht mehr. Die Unternehmen heuern, je nach Bedarf, ihre Arbeitskräfte über ein virtuelles Netzwerk an. Was mit der IT-Branche begann, betrifft nun nahezu alle Berufsgruppen. Ein Heer von Freelancern kämpft mit weltweiter Konkurrenz um Aufträge. Die Folge: Preisdumping. Heute verdienen die Leute ein Drittel von dem, was noch vor 10 Jahren gezahlt wurde.

 Ganz so schlimm ist es aktuell Gott sei dank noch nicht:

Wenn Unternehmen eine Aufgabe lösen müssen, fragen sie nicht mehr automatisch die Experten im eigenen Haus, sondern nutzen immer öfter das Schwarmwissen im Netz. Anspruchsvolle Design-, Programmier- und Textarbeiten werden genauso über Internetplattformen abgewickelt wie simple Tätigkeiten, zum Beispiel Warenkennzeichnungen und Adressenrecherchen.
Das Arbeiten in virtuellen Gemeinschaften, in der sogenannten Cloud (Wolke), oder als Teil einer unbekannten Masse im Internet, der Crowd (Gruppe), nimmt zu, ob als Zuverdienst oder selbstständig. ver.di befasst sich zusammen mit wissenschaftlichen Partnern, Gewerkschaften und Unternehmen in dem Projekt "Cloud und Crowd" mit den Veränderungen durch Digitalisierung. Es geht um Arbeit, die über Internetplattformen vermittelt wird, um Folgen speziell für Call- und Service-Center und ganz allgemein um die Veränderungen in Unternehmen, die immer öfter Projekte, Teilprojekte oder Teilarbeiten auslagern.

Frei, aber ...

 

"Selbstbestimmt und frei arbeiten, was man will, wann man will und wo man will, das motiviert viele Crowdworker zur Arbeit im Netz", sagt Karl-Heinz Brandl, ver.di-Bereichsleiter für Innovation und Gute Arbeit. Doch die CrowdworkerInnen konkurrieren auch im Netz. Das drückt Löhne und Bedingungen. Die Vermittlungsagentur Freelancer bietet allein auf ihrer Website Zugang zu 16 Millionen Crowdworkern, Upwork zählt neun Millionen, und die in Deutschland angesiedelte Plattform Clickworker hat nach eigenen Angaben 700.000 Angemeldete. "Es gibt keine Mindeststandards bei Arbeitsentgelt, Arbeitszeit und Arbeitsschutz", sagt Brandl. "Die bisherigen schützenden Strukturen, wie sie in Betrieben und Unternehmen durch Gewerkschaften und Betriebsräte erreicht werden, fehlen spürbar." In diese Lücke will ver.di stoßen. Denn der Anspruch von ver.di lautet: Gute Arbeit für alle.
Schon seit Jahren vertritt die Gewerkschaft die Interessen von Solo-Selbstständigen, von Designern bis hin zu Handwerkern, Kurieren, Redakteuren und Pflegekräften. Auch deren Arbeit verändert sich durch Cloud und Crowd. Manche Selbstständige nutzen die Gelegenheit und verdienen mit Hilfe der Vergabe über die Internetplattformen noch etwas dazu, andere finden ihre Auftraggeber immer öfter im Netz.
Welchen Status haben die Crowd- bzw. Clickworker? Wer ist selbstständig, wer möglicherweise scheinselbstständig? Wie können wir sie unterstützen? Aber auch die Frage: Wo sitzen die Auftraggeber? Beteiligen sie sich am Sozialsystem und leisten sie ihren Beitrag?. Das herauszufinden und die Crowd- und Clickworker miteinander und mit ihren Erwartungen an ver.di ins Gespräch zu bringen, ist  allerdings schwierig, da die Menschen sehr verschieden seien - von der Designerin bis hin zum Fahrradkurier.

Wenig Lohn

 

Die Analyse einer aktuellen Umfrage im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, an der auch ver.di beteiligt war, legt die Vermutung nahe, dass die reine Klickarbeit überwiegend nicht zur Selbstständigkeit taugt. Die Verdienste der sogenannten Clickworker sind in der Regel gering. Sie genießen weder Kündigungsschutz noch Anspruch auf bezahlten Urlaub. Rentenvorsorge und Krankenversicherung sind Privatsache. Die meisten Clickworker verdienen unter 500 Euro pro Monat vor Steuern. Vermutlich ist dies einer der Gründe, weshalb viele die Arbeit im Netz nur neben dem Hauptberuf betreiben. Die Mehrheit, 70 Prozent, arbeitet 14 Stunden pro Woche im Netz. Wer dennoch dort hauptberuflich unterwegs ist, hat im Schnitt lediglich 1.500 Euro im Monat, unversteuert. Trotzdem fühlen sich die meisten CrowdworkeInnen laut Befragung "nicht ausgebeutet" und bewerten lediglich Zeitdruck und Arbeitspensum als negativ.


ver.di-Umfrage

 

ver.di möchte jetzt mit einer weiteren Umfrage herausfinden, wie die über Plattformen vermittelte Arbeit in ihrem Organisationbereich aussieht, und was die Gewerkschaft tun sollte, um gute Arbeit zu erreichen. Dabei schaut ver.di in den von ihr betreuten Branchen nicht nur auf Selbstständige, sondern auch auf die Beschäftigten, die feste Arbeitsplätze haben, aber mit Hilfe von Crowdwork etwas dazuverdienen. Zudem will ver.di herausfinden, wie sich die Arbeit in den Unternehmen durch die neuen technischen Möglichkeiten verändert. "Wir möchten wissen, welche Erfahrungen Betriebsräte und Beschäftigte machen und was sie von uns erwarten, damit wir ihre Arbeit gut gestalten können", erläutert Sarah Bormann, wissenschaftliche Mitarbeiterin im ver.di-Projekt "Cloud und Crowd", die Ziele. Verlässliche Zahlen lägen zwar noch nicht vor, doch selbst wenn es nur vier Prozent Crowdworker gibt, könnte das einen großen Einfluss auf die festen Arbeitsplätze in den Unternehmen haben, beispielsweise wenn sie durch die neue Konkurrenz im Netz unter Druck geraten.

Mitbestimmung

 

Das auf drei Jahre angelegte Projekt "Cloud und Crowd" hat sich auch vorgenommen, Handlungsempfehlungen für Betriebsräte zu entwickeln, sowohl für den Fall, dassCrowdwork im Unternehmen eingeführt wird, als auch, dass sie schon gemacht wird. 2018 soll dazu gemeinsam mit der IG Metall eine Betriebsrätekonferenz veranstaltet werden. "Es stellt sich auch die Frage, inwieweit Mitbestimmungsrechte künftig angepasst werden müssen", betont Bormann.

Call-Center

 

In Call- und Service-Centern wird sich die Arbeit durch Automatisierungsprozesse, Internettelefonie, Social Media und die neuen Möglichkeiten des Selbstservices deutlich verändern. Das Umstellen aller Telekom-Netze auf All-IP (Internetprotokolle) bis 2018 eröffnet neue technische Möglichkeiten. Statt wie bisher eine klassische Telekommunikationsanlage im Unternehmen zu betreiben, kann Telefonieren als Serviceleistung aus einer Cloud im Internet organisiert werden. Das puscht neue Dienstleistungen, verändert den bisherigen Service, vereinfacht Prozesse, überträgt aber auch Arbeiten auf den Kunden und spart dadurch Arbeitsplätze. "Besonders bei der Telekom verändert sich die Arbeit sehr stark", weiß Bormann. "Früher musste der Kunde anrufen, jetzt kann er vieles mit Hilfe der mobilen Apps selbst tun, wie Daten anpassen, ändern oder kündigen." Experten aus der Crowd können in virtuellen Call-Centern in Spitzenzeiten Anfragen bearbeiten. Call-Center-Mitarbeiter/innen haben die Chance, von zu Hause zu arbeiten. "Doch auch die Kundenschnittstelle bleibt wichtig", sagt Bormann. "Wenn Roboter zu viel im Netz übernehmen, bleibt der Mensch außen vor: Nicht nur Arbeitsplätze gehen dann verloren, auch die Nähe zum Kunden."

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