Montag, 30. November 2020

Der Zusammenhang zwischen Kündigungen, Betriebsklima und Neubewerbungen

 

Für viele Firmen ist gerade keine gute Zeit.

Nur einige wenige profitieren, wie der Versandhandel.
Zum Glück gibt es das Instrument der Kurzarbeit, welches von der Regierung gerade auch genutzt wird, um Massenentlassungen zu vermeiden.

Apropos Entlassungen.
Nehmen wir mal ein fiktives Beispiel.

Eine Firma trennt sich von einer langjährigen Mitarbeiter*in.
Von außen ist nicht ersichtlich, was das für ein Vorgang ist, von der Mitarbeiter*in erfährt man nichts, womöglich musste er/sie etwas unterschreiben, was sie/ihn zum Stillschweigen verpflichtet.
Kurze Zeit später schreibt die Firma eine oder mehrere Stellen für Neubesetzung aus, welche diese Mitarbeiter*in ausfüllen hätte können.

Was lernen wir daraus ?

  • nicht gut für das Betriebsklima, wenn man selbst als langjährige Mitarbeiter*in vor solchen Aktionen nicht sicher ist
  • mit Gewerkschaft wäre das eventuell anders gelaufen, hier hilft die Gewerkschaft in rechtlichen Angelegenheiten
  • mit Betriebsrat wäre das eventuell anders gelaufen, kein Betriebsrat, der etwas auf sich hält, wird Neueinstellungen zustimmen, wenn vorher der Mitarbeiter vom Betriebsrat dabei unterstützt wurde, die Entlassung zu vermeiden, z.B. durch Umbesetzung.

Weitere fiktive Beispiele:

Menschen (!), möglicherweise mit Familie, vielleicht mit Krediten, werden aus langjährigen Positionen in eine Neueinstellung "gelockt". 
Wir wissen nicht, warum sie das taten. 
War die alte Stelle schlecht oder unsicher, oder war das neue Angebot so attraktiv, dass sie nicht nein sagen konnten?

Was wir wissen, ist, dass es immer wieder vorkommt, dass solche Menschen (!) noch während der Probezeit gekündigt werden oder ein bis zwei Jahre nach der Einstellung unter ungeklärten Umständen (siehe erstes fiktives Beispiel, etwas abgewandelt) die Firma wieder verlassen.

Was lernen wir daraus ?

  • auch nicht gut für das Betriebsklima, wer will schon für einen Arbeitgeber arbeiten, der so locker mit Menschenschicksalen umgeht.
  • wenn sich das herumspricht, zum Beispiel in Arbeitgeberbeurteilungsportalen, dann wird es schwer, noch Neueinstellungen zu bekommen, die nicht nur aus lauter Verzweiflung kommen

Gut, dass es nur fiktive Beispiele sind und gute Arbeitgeber solche Dinge nicht machen.


Donnerstag, 5. November 2020

Hamburger Retourenbetrieb (Otto-Group) soll geschlossen werden

Die Beschäftigten des Hamburger Retourenbetriebes der Otto-Group (Hermes Fulfilment) brauchen unsere solidarische Unterstützung!

Wir befinden uns derzeit in einer harten Auseinandersetzung um den Erhalt der Arbeitsplätze im Retourenbetrieb der Hermes Fulfilment (Otto-Logistik) in Hamburg.

Der Vorstand der Otto-Group hat angekündigt das Hamburger Retourenlager in Bramfeld in der zweiten Jahreshälfte 2021 zu schließen und die Abwicklung der Retouren nach Polen und Tschechien zu verlagern.

Betroffen von dieser Entscheidung sind 840 Beschäftigte und deren Angehörigen.

Für Frauen in Teilzeit sowie die große Anzahl älteren Beschäftigten bedeutet diese Entscheidung nicht nur ihren Arbeitsplatz zu verlieren, sondern auch der soziale Absturz mit ungewissem Ausgang.

14 Jahre haben sie Lohnverzicht und Entbehrungen hingenommen, in der Hoffnung und den Versprechungen, so ihre Arbeitsplätze zu sichern.

Nun droht vielen von ihnen die Arbeitslosigkeit.

 Wer wie die Otto-Group sich verpflichtet hat und in der Öffentlichkeit damit wirbt, die soziale Verantwortung für ihre Beschäftigten zu übernehmen, darf so nicht handeln ohne unglaubwürdig zu werden!

Wir fordern gemeinsam mit den Beschäftigen, dass das Unternehmen seine eigenen Werte ernst nimmt und den Schließungsbeschluss sofort zurückzieht.

Zur solidarischen Unterstützung dieser Forderung haben wir  unter: http://chng.it/ftcqZQ2Gs8 eine Online-Petition an den Otto-Vorstand gestartet.

Vielen Danke für Eure Unterstützung.

Montag, 13. Juli 2020

Gesellschaft unterm Brennglas


Corona-Pandemie: Aus der Krise lassen sich viele Lehren ziehen. Eines zeigt sie nachdrücklich: Wir brauchen in Deutschland flächendeckend armutsfeste Löhne und gute Arbeit.

Auch wenn die Corona-Pandemie noch immer unser gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben beherrscht, kehrt langsam so etwas wie Normalität zurück – aber es ist eine neue Normalität. Für eine nicht absehbare Zeit bedeutet das für unsere Gesellschaft ein Leben mit dem Virus. Das verändert unser Miteinander, macht physische Distanz und Maßnahmen zum Infektionsschutz notwendig, mit allen damit verbundenen Folgen für die Arbeitswelt und auch für gewerkschaftliches Handeln.

Die Corona-Krise wirkt wie ein Brennglas auf vorhandene gesellschaftliche Verwerfungen. Daraus ergeben sich Schlussfolgerungen – auch wenn es für abschließende Bewertungen noch zu früh ist.

Noch ist vollkommen offen, wie tiefgreifend die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise und die Konsequenzen für den Arbeitsmarkt ausfallen. Es gibt unterschiedlichste Szenarien, auch extrem pessimistische Prognosen: Die Wirtschaftsberatungsgesellschaft McKinsey hat verkündet, erst 2028 sei wieder ein wirtschaftliches Niveau wie vor dem Beginn der Krise zu erwarten. Andere Prognosen gehen zwar von einem wirtschaftlichen Einbruch für die kommenden Monate aus, dann jedoch von einer zügigen Erholung spätestens im kommenden Jahr. Die optimistischeren Szenarien sind möglich – allerdings nur dann, wenn jetzt die richtigen politischen Entscheidungen getroffen werden.

Ein massives Konjunkturprogramm
In Deutschland und in Europa brauchen wir zur Überwindung der Krise ein massives Konjunkturprogramm. Es sollte einen starken Impuls für Nachfrage in den Branchen setzen, die derzeit ganz besonders betroffen sind und in denen Arbeitsplätze in Gefahr sind, also beispielsweise in der Gastronomie, im Einzelhandel, im Tourismus und der Kulturwirtschaft. In einem weiteren Schritt sind Investitionen in den Aufbau eines nachhaltigen Wirtschaftssystems und in alle Bereiche der Daseinsvorsorge notwendig.

Zur Finanzierung des Investitionsprogramms setzen wir als ver.di auf gemeinsame europäische Anleihen – die sogenannten Corona-Bonds. Darüber hinaus gilt: Wenn notwendig, kann sich Deutschland auch über längere Zeit ein höheres Maß an Staatsverschuldung leisten. Die Ideologie der "Schwarzen Null" gehört ohnehin auf den Trümmerhaufen der Geschichte. Auf keinen Fall dürfen die höheren Ausgaben im Zuge der Krise mittel- oder langfristig zu Sozialkürzungen führen. Ausgabenkürzungen des Staates gehen immer zu Lasten weiter Teile der Gesellschaft.

In der Krise zeigt sich, was in unserer Gesellschaft im Argen liegt. Viele der Kolleginnen und Kollegen, die – wie es immer wieder heißt – "den Laden am Laufen halten", werden zu schlecht bezahlt, während ihre Arbeit körperlich und emotional extrem fordernd ist. Im Einzelhandel liegen die Löhne 30 Prozent unter denen in der Industrie, zudem arbeitet mehr als die Hälfte der Kolleginnen – es sind überwiegend Frauen – in Teilzeit, ein Fünftel ist geringfügig beschäftigt.

Die Krise wirft auch ein Schlaglicht darauf, dass unser Gesundheitswesen finanziell ausgezehrt ist. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass das Gesundheitssystem die Pandemie bisher vergleichsweise gut meistert. Und zwar Dank des enormen Einsatzes aller Beschäftigten, die oftmals ihre eigene Gesundheit riskieren und an die Grenzen der Belastbarkeit gehen. Jetzt sind die Folgen der Ökonomisierung des Gesundheitssystems schmerzlich erkennbar.

Rund ein Drittel der Krankenhäuser in Deutschland ist mittlerweile in privater Hand und damit dem Streben nach hohen Profiten unterworfen. In den Kliniken wurden Reserven abgebaut. Vor allem aber mangelt es an Personal. Ähnliches gilt für die Altenpflege, wo zwei Drittel aller ambulanten Dienste kommerziell betrieben werden. Angesichts schlechter Arbeitsbedingungen, erzwungener Teilzeit und einer Bezahlung deutlich unter dem Niveau der Krankenpflege klagt die Branche über einen dramatischen Fachkräftemangel. Mangel an Zeit für Patientinnen und Patienten sowie Hygiene bedeuten gerade in einer Pandemie zusätzliche Gesundheits- risiken für Beschäftigte und Pflegebedürftige.

Eine Stärkung der Daseinsvorsorge
Wir brauchen in Deutschland eine umfassende Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Gerade die Gesundheitsversorgung darf nicht länger Kapitalverwertungsinteressen unterworfen werden. Wir brauchen eine Orientierung am Gemeinwohl statt eines Gesundheitsmarktes. Wir benötigen eine bundeseinheitliche bedarfsgerechte Personalausstattung in Krankenhäusern und der Altenpflege ebenso wie eine Reform der Krankenhausfinanzierung und eine solidarische Pflegeversicherung, die die Kosten von Lohnsteigerungen und besseren Arbeitsbedingungen nicht den Pflegebedürftigen aufbürdet.

Wer die öffentliche Daseinsvorsorge stärken will, muss auch die Handlungsfähigkeit der Kommunen sicherstellen. Sie haben derzeit massive Einnahmeausfälle, insbesondere die Gewerbesteuereinnahmen brechen ein. Es braucht daher einen vom Bund und den Ländern getragenen Rettungsschirm für Kommunen. Durch einen solchen Schirm müssen die Einnahmeausfälle von Städten und Gemeinden sowie die krisenbedingten Mehrausgaben ausgeglichen werden. Unverändert notwendig bleibt zudem ein Altschuldenfonds, um bereits bislang überschuldete Kommunen zu entlasten.

Die Krise zeigt: Öffentliche Infrastruktur und Daseinsvorsorge, von der Gesundheitsversorgung über Bildung, Kinderbetreuung bis hin zu einem flächendeckenden ÖPNV sind wesentlich, sie müssen deshalb auch ausreichend finanziert werden.

Zudem machen die Erfahrungen der vergangenen Wochen deutlich: Viele der Berufe, in denen Außerordentliches für die Gesellschaft geleistet wird, sind auch wegen mangelnder Tarifbindung viel zu schlecht bezahlt. Im Einzelhandel ist mittlerweile die Mehrzahl der Betriebe nicht mehr tarifgebunden. Immer mehr Arbeitgeber sind aus der Tarifbindung geflüchtet und setzen ihren ruinösen Preiskampf über die Einkommen fort. Das ist nicht hinnehmbar. Ebenso inakzeptabel ist, dass sich die privaten Arbeitgeberverbände in der Altenpflege weigern, mit ver.di einen Tarifvertrag für die Branche abzuschließen. Systemrelevante Branchen müssen tarifvertraglich abgesichert werden. Hier ist auch die Bundesregierung gefordert: durch eine gesetzliche Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen und eine zwingende Tarifbindung bei öffentlichen Aufträgen.

Mehr Solidarität und mehr Tarifschutz
Nicht zuletzt offenbart der Shutdown eklatante Defizite des Sozialstaates. Viele Menschen fallen ins Bodenlose – und durchs Raster der Unterstützungsprogramme. Minijobberinnen und Minijobber haben keine Chance auf Kurzarbeitsgeld, weil ihre Arbeitgeber nicht für sie in die Arbeitslosenversicherung einzahlen; Solo-Selbstständigen brechen die Aufträge weg; Menschen in Grundsicherung kommen noch weniger über die Runden, weil in der Krise soziale Angebote wie die Tafeln wegfallen. Eine Lehre aus der Krise muss deshalb eine bessere Absicherung sein.

Insbesondere braucht es den Ersatz von Minijobs durch sozialversicherungs-pflichtige Beschäftigung, eine bessere Absicherung von Solo-Selbstständigen in den Sozialversicherungen und durch Mindesthonorare. Und die Krise zeigt nachdrücklich: Wir brauchen in Deutschland flächendeckend armutsfeste Löhne – deshalb ist es dringend geboten, den gesetzlichen Mindestlohn noch in diesem Jahr auf 12 Euro anzuheben.

Und auch das brauchen wir: mehr Solidarität und mehr Tarifschutz durch eine starke ver.di – das zeigt uns die Krise so deutlich wie noch nie.

von Frank Werneke
Quelle: ver.di Publik, Ausgabe 03/2020

Freitag, 10. Juli 2020

Gewerkschaft in Zeiten von Corona


Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

die Corona-Pandemie hat in den letzten Wochen unser Leben massiv verändert. Während die einen rund um die Uhr im Einsatz sind, bangen andere um ihre wirtschaftliche und berufliche Existenz oder versuchen, im Home Office Betreuungs- und Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bekommen.

Viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter leisten derzeit Großartiges. Der Umgang mit dieser beispiellosen Herausforderung zeigt, wie groß die Solidarität der Menschen untereinander ist, das ist eine ermutigende Erfahrung. Solidarität ist der entscheidende Wert in dieser Krise, und dafür stehen wir als ver.di. In der Krise wird auch deutlich: Europa ist heute wichtiger denn je. Aber Europa wird diese Krise nur dann überstehen, wenn Solidarität zur Richtschnur des Handelns wird – mit den Menschen in den besonders betroffenen Ländern Italien, Spanien, Frankreich und auch Belgien. Es bedarf der gemeinsamen Verantwortung für die Finanzierung eines Wiederaufbau- und Konjunkturprogramms für ganz Europa.

Gemeinsame Anleihen aller Euro-Länder, wie von den Regierungen Südeuropas gefordert – sogenannte Corona-Bonds – sind dazu der geeignete Weg. Die Bundesregierung steht noch auf der Bremse. Das darf nicht so bleiben, dafür setzen wir uns als ver.di ein.

Und: Europa darf nicht versagen, wenn Menschen in Not sind. Das geschieht gerade an den Außengrenzen, auf den griechischen Inseln, im Mittelmeer. Deshalb gehört unsere ungeteilte Solidarität den Menschen, die auf der Flucht sind. Insbesondere denen, die unter unerträglichen Umständen in Lagern festgehalten werden. Die Lager müssen geräumt und die Geflüchteten menschenwürdig in den EU-Mitgliedsstaaten untergebracht werden. Deutschland muss mit gutem Beispiel vorangehen.

Arbeitnehmerfeindliche Notregeln wieder aufheben
In ganz Europa sind derzeit viele Grundrechte eingeschränkt. Wir werden wachsam darauf achten, dass alle Einschränkungen demokratischer Grundrechte – von der Bewegungsfreiheit bis zur Versammlungsfreiheit – nur so lange gelten, wie es zur Eindämmung des Corona-Virus unabdingbar ist. Ein Blick nach Ungarn zeigt, wie groß die Gefahr ist, dass unter dem Vorwand der Bekämpfung des Virus die Demokratie ausgehebelt wird. In Deutschland wurde eine Reihe von Schutzrechten ausgesetzt, weil das angeblich zur Krisenbewältigung notwendig sei: Nun sind 12-Stunden-Schichten und eine Verkürzung der Ruhezeit auf neun Stunden möglich. Die Regelungen zur Einschränkung von Sonntagsarbeit wurden ausgehöhlt und die Vorgaben für eine Mindestpersonalausstattung in der Pflege aufgehoben. Es ist höchste Zeit, diese arbeitnehmerfeindlichen Notregeln wieder aufzuheben.

"Wir gucken genau hin — Die Herausforderungen der Krise sind nach wie vor groß. Umso wichtiger sind jetzt starke Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter und starke Gewerkschaften." Frank Werneke, ver.di Vorsitzender.

ver.di hat zwei Millionen Mitglieder, die auf ganz unterschiedliche Weise von der Krise betroffen sind. Gerne wird von den Heldinnen und Helden des Alltags gesprochen. Gesellschaftliche Anerkennung für systemrelevante Tätigkeiten wie in der Pflege oder im Einzelhandel ist gut. Aber Applaus allein reicht nicht! Wenn die Pandemie überwunden ist und wir wieder gemeinsam auf die Straße gehen und, wenn notwendig, streiken können – dann werden wir Tarifvertrag für Tarifvertrag aufrufen:

• Bessere Bedingungen
• bessere Bezahlung
• und eine Aufwertung der Berufe, in denen besonders viele Frauen tätig sind.

Erfolgreich sind wir schon: Es ist uns als ver.di gelungen, ein Extra von zumeist 1.500 Euro für die über eine Million Beschäftigten in der Altenpflege durchzusetzen. Als finanzielle Anerkennung für die außerordentliche Leistung, die dort in der Krise geleistet wird. Viele weitere Beschäftigte haben das verdient – dafür setzen wir uns ein.

Auf der anderen Seite sind viele Kolleginnen und Kollegen jetzt in Kurzarbeit, Arbeitsplätze, ganze Unternehmen sind gefährdet. Jeden Tag beraten und unterstützen wir tausende unserer Mitglieder. Uns ist es gelungen, eine beachtliche Zahl von Tarifverträgen zur Aufstockung von Kurzarbeitergeld durchzusetzen. Ebenso wie eine gesetzliche Erhöhung des Kurzarbeitsgeldes – ein Erfolg, wenngleich eine weitergehende Regelung für Beschäftigte mit niedrigen Einkommen, insbesondere Teilzeitbeschäftigte, notwendig bleibt.

Im Eiltempo werden derzeit Corona-Gesetzespakete zu einer Vielzahl von Themen durch die Parlamente gebracht. Wir mischen uns da ein. Gemeinsam mit dem DGB bringen wir konsequent die Interessen der abhängig Beschäftigten und Solo-Selbstständigen in die politischen Entscheidungen ein.

Denn auch in Zeiten von Corona macht der Kapitalismus keine Pause: Reihenweise greifen Arbeitgeber staatliche Gelder zur Sicherung ihrer Unternehmen ab, gleichzeitig wollen sie Arbeitsplätze vernichten. Es kann nicht sein, dass mit unseren Steuergeldern Personalabbau und Sozialpläne finanziert werden! Bei Unternehmen, die mit Steuergeldern gerettet werden, muss der Staat mit in die unternehmerische Verantwortung gehen. Es ist auch nicht hinnehmbar, wenn Unternehmen Kurzarbeitsgeld kassieren oder Darlehen von der staatlichen KfW-Bank bekommen, um dann dicke Dividenden an Aktionäre auszuschütten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in dieser Zeit braucht es starke und kämpferische Gewerkschaften.
Wir leben Solidarität.
Frank Werneke, ver.di Vorsitzender

Samstag, 4. Juli 2020

HomeOffice-Umfrage: Die meisten würden gern weitermachen, aber es gibt auch Schattenseiten


Bis Anfang dieses Jahres gab es offiziell kein HomeOffice bei WELTBILD. Die Möglichkeit, ab und an oder regelmäßig von Zuhause aus zu arbeiten, wurde als Privileg besserverdienenden KollegInnen zugestanden. Die meisten davon arbeiten ohnehin "zeitsouverän", also ohne Stempelkarte. Der Sachbearbeiter-Ebene wurde der Arbeitsplatz zuhause nur in Ausnahmefällen gewährt, zum Beispiel wenn es aufgrund fehlender Büroflächen gar nicht anders ging. Seit Corona ist alles anders. Fast alle WELTBILD-KollegInnen leisten den überwiegenden Teil ihrer Arbeit von Zuhause aus. Wie geht es den Beschäftigten jetzt im HomeOffice?

Im Mai haben wir hier im Blog eine Umfrage gestartet und wollten von euch wissen, welche Erfahrungen ihr gemacht habt. 85 Personen haben teilgenommen und 11 Fragen beantwortet. Ob tatsächlich sämtliche Antworten von WELTBILD-MitarbeiterInnen stammen, können wir nicht beweisen, aber der Zeitpunkt der Antworten legt das nahe. Ebenso sind Mehrfach-Teilnahmen nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Nach der Sichtung der Ergebnisse und dem Vergleich von Fragebögen und Antwortzeiten glauben wir aber, dass die Ergebnisse der Befragung tatsächlich ein realistisches Bild wiedergeben.



1. Die meisten fühlen sich zuhause pudelwohl: 50% der Teilnehmenden haben Höchstpunktzahlen vergeben. Richtig schlechte Bewertungen gab es gar nicht. 



2. Dem weit überwiegenden Teil fällt die Arbeit zuhause leichter als im Büro. Einige Gründe, warum das so ist, könnt ihr unten bei den Antworten auf Frage 9 lesen.



3. Mit ihren Arbeitsergebnisse sind KollegInnen außerordentlich zufrieden. Wie man hört, deckt sich das mit der Sicht der Führungskräfte und der Geschäftsleitung.



4. Über 60% der Teilnehmenden sagen, dass sie zuhause mehr Arbeit schaffen als im Büro. Allerdings geben auch 10% zu, dass sie daheim weniger erledigt kriegen. Dabei spielt vielleicht auch die technische Ausstattung der Arbeitsplätze zuhause eine Rolle (siehe Frage 6).



5. Eine der größten Gefahren im HomeOffice für Beschäftigte ist aus Sicht der Experten für Arbeitsmedizin die sogenannte "Entgrenzung von Arbeit". Das bedeutet: Man findet nie ein Ende, beantwortet E-Mails auch noch spätabends und erledigt Liegengebliebenes am Wochenende. Am Anfang mag der Arbeitgeber von dieser Selbstausbeutung profitieren. Aber wenn die ArbeitnehmerInnen krank werden und bspw. einen Burnout erleiden, kommen hohe Ausfallkosten auf ihn zu. Immerhin ein Viertel der Teilnehmenden an unserer Umfrage gaben an, zuhause mehr zu arbeiten als im Büro.



6. Die technische Ausrüstung im HomeOffice ist deutlich verbesserungswürdig. 40% sind schlechter ausgerüstet als im Büro. Und wer die technische Ausstattung bei WELTBILD kennt, weiß, dass auch "gleichwertig" weder zeitgemäß noch performant bedeutet. Ein gutes Viertel immerhin ist daheim technisch besser aufgestellt als in der Firma. 



7. Die Darstellung der Säulendiagramme bei Google-Sheets ist nicht optimal, deshalb hier die Ergebnisse dieser Frage im Detail: 47,6% haben ein eigenes Arbeitszimmer, 35,7% arbeiten in der Küche oder im Wohnzimmer, 4,8% im Schlafzimmer, 63,1% haben einen richtigen Schreibtisch zur Verfügung, 22,6% arbeiten am Küchentisch oder improvisieren anders, lediglich 29,8% verfügen über einen ergonomischen Bürostuhl, 70,2% der Arbeitsplätze zuhause sind gut beleuchtet, und 78,6% können dort meistens in Ruhe arbeiten, 8,3% werden im HomeOffice durch das Familienleben regelmäßig abgelenkt.  



8. Mit durchschnittlich knapp 8 Punkten ist die Zufriedenheit mit dem HomeOffice-Arbeitsplatz ziemlich hoch, allerdings sind rund ein Viertel der Beschäftigten deutlich weniger zufrieden mit der konkreten Arbeitssituation zuhause.



9. Als Vorteile bewerten die Beschäftigten vor allem die Ruhe im HomeOffice (85,5%) und das Sparen von Fahrtzeit und -kosten (86,7%). Mehr als die Hälfte (62,7%) genießt die freiere Zeiteinteilung und immerhin 7,2% mögen es, dass ihnen der oder die Vorgesetzte nicht so auf die Finger gucken kann. Andere schätzen es, dass sie für ihre Kinder besser ansprechbar sind, oder genießen es einfach, aus der konfliktträchtigen Situation im Großraumbüro zu entkommen.



10. Es gibt aber auch negative Aspekte: 70,5% fehlt der persönliche Kontakt mit den KollegInnen, insbesondere die gemeinsamen Pausen (37,2%). Über die Hälfte (52,6%) vermissen es, dass sie einfach mal schnell etwas nachfragen oder sich über Arbeitsaufgaben austauschen können, 30,8% vermissen kurze Wege in andere Abteilungen. Einige sehen auch die steigenden Kosten zuhause kritisch, die sie aktuell alleine tragen müssen. 



11. Wie könnte eine HomeOffice-Regelung in Zukunft aussehen? Hier ergibt sich ein sehr klares Bild: Weit über die Hälfte der Beschäftigten würde gern an zwei oder drei Tagen zuhause arbeiten. Nur einen einzigen Wochentag im HomeOffice zu verbringen, ist für die wenigsten attraktiv.


Soweit die Ergebnisse unserer Umfrage. Hast du weitere Anregungen zu diesem Thema? Dann nutze bitte die Kommentarfunktion unten oder schreib' ein E-Mail an die blogredaktion@web.de.

Donnerstag, 25. Juni 2020

Die tiefe Krise von Galeria Karstadt Kaufhof - gibt es noch Hoffnung?


Die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof kommt nicht zur Ruhe. Immer wieder kommt von Seiten des Managements die Androhung, Filialen zu schließen und Stellen abzubauen.

Sowohl Karstadt, als auch Galeria Kaufhof kämpfen seit ihren Gründungen (Karstadt 1881, Kaufhof 1879) - mit Ausnahmen einiger weniger sehr erfolgreicher Jahre - gegen finanzielle Verluste und die allgemeinen Veränderungen, die den stationären Einzelhandel seit Jahren begleiten, an.
Auch die Fusion der beiden Warenhausketten 2018, verbesserte die wirtschaftliche Lage nicht.

Der Zusammenschluss von Galeria Kaufhof, Karstadt Warenhaus, Karstadt Sports und weiteren Unternehmen durch die jeweiligen Eigentümer Signa Retail und Hudson's Bay Company (HBC) wurde von ver.di, den Betriebsräten und Gesamtbetriebsräten Ende 2019 nach zahlreichen Streiks mit einem Integrationstarifvertrag abgesichert. Die darin vereinbarten Beschäftigungs- und Standortsicherungen sind seit der Corona-Pandemie und dem beantragten Schutzschirmverfahren in großer Gefahr.
Die rund 28.000 Beschäftigten bangen weiterhin um ihre Arbeitsplätze.

Corona und Schutzschirmverfahren


Da das Unternehmen bereits vor dem Ausbruch der Corona Pandemie  in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten, bedingt unter anderem auch durch weitreichende Restrukturierungsmaßnahmen, steckte, traf der Lockdown und der damit einhergehende Umsatzverlust in Milliardenhöhe (trotz des Onlinegeschäfts) den Einzelhändler hart.

Daher wurde am 01.04.2020 ein Schutzschirmverfahren nach § 270b Insolvenzordnung beantragt, dem vom Amtsgericht Essen stattgegeben wurde.
Dieses Verfahren ist eine Besonderheit im deutschen Insolvenzrecht. 
So versucht ein Unternehmen in vorläufiger Eigenverwaltung frühzeitig einen Insolvenzplan vorzulegen mit dem Ziel das Unternehmen zu sanieren.
Überwacht wird dieser Vorgang durch einen sog. Sachverwalter. Im Falle von Galeria Karstadt Kaufhof ist dieser Sachverwalter Frank Kebekus. Dieser wird von namhaften Größen der Branche unterstützt. Einer dieser Unterstützer ist die Kanzlei SGP (Schneider, Geiwitz und Partner), die als Restrukturierungsexpertin angesehen wird.

Stefanie Nutzenberger, ver.di -  Bundesvorstandsmitglied Handel wirft der Unternehmensleitung vor, die Corona-Krise als Vorwand zu missbrauchen, um die ursprünglich geplanten Standortschließungen und den damit einhergehenden Stellenabbau doch noch umzusetzen. 
Diese Vorhaben wurden durch den 2019 geschlossenen Integrationstarifvertrag gestoppt.

Alles umsonst gewesen - oder gibt es noch Hoffnung?


Das eingefügte Video der Beschäftigten zeigt, dass sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben und bereit für den Kampf um ihre Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen sind.




Was wurde bisher erreicht?


Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat natürlich nicht tatenlos zugesehen und lässt die KollegInnen nicht im Regen stehen.

Sie haben den Arbeitgeber zu Verhandlungen über einen Sanierungstarifvertrag aufgefordert. Dieser Auffordeung ist man nachgekommen. Die Verhandlungen erwiesen sich als schwierig, dennoch konnte am 19.06.2020 von der ver.di ein positives Ergebnis, nämlich den Abschluss eines Tarifvertrags,  mitgeteilt werden.



Wir drücken den KollegInnen von Galeria Karstadt Kaufhof weiterhin fest die Daumen und wünschen ihnen viel Kraft im Kampf um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze.


Quellen:



Mittwoch, 27. Mai 2020

Gnadenloser Stellenabbau


aus ver.di publik 02/2020

PAYPAL — Der amerikanische Online-Bezahldienst schrumpft seinen Standort in Berlin, auf Kosten hunderter Beschäftigter


Von Gudrun Giese | 20. März 2020

Berlin – "Für jeden eine gute Lösung" verspricht der Online-Bezahldienst PayPal auf seiner deutschen Website seinen Kundinnen und Kunden. Nur für die PayPal-Beschäftigten gilt das nicht. Sie leisten gute Arbeit und verhelfen ihrem Arbeitgeber damit zu schwarzen Zahlen, dennoch will die Geschäftsleitung seit dem vergangenen Jahr 309 von 355 Stellen am Standort Berlin-Wilmersdorf abbauen (ver.di publik 6_2019). Kosten darf das aber nichts: Bisher weigert sich der Arbeitgeber, angemessene Abfindungen und Ausgleichszahlungen zu zahlen. Deshalb haben Betriebsrat und ver.di Ende Februar mit einer öffentlichen Aktion auf die Missstände aufmerksam gemacht.

Wie smart PayPal wirklich ist


"Nachdem der Arbeitgeber in mehr als zehn Verhandlungsrunden nicht schlüssig darlegen konnte, warum am Standort Berlin über achtzig Prozent der Arbeitsplätze abgebaut werden müssen, und jedes Alternativkonzept ungeprüft verworfen hat, wollten wir auch der Öffentlichkeit zeigen, wie smart PayPal wirklich ist", sagt Mike Döding, Leiter des Fachbereichs Finanzdienstleistungen im ver.di-Landesbezirk Berlin-Brandenburg, anlässlich der Protestaktion vor dem PayPal-Sitz in Wilmersdorf. Die Wirklichkeit bestehe darin, in Deutschland Millionengewinne einzustreichen, gleichzeitig keine Steuern zu zahlen, da der europäische Firmensitz sich in Luxemburg und Irland befinde, aber letztlich "die Folgen und Kosten ungebremster Profitgier der Gesellschaft zur Last" zu legen.

"Es gibt diesen Standort seit 2011", sagt der Betriebsratsvorsitzende Anselm Mathes. "Bisher ist er kontinuierlich gewachsen, und unser Team arbeitet in der Kundenbetreuung ebenso wie im Verkauf von neuen Produkten an Händler." Doch trotz der positiven wirtschaftlichen Entwicklung gehe es der ehemaligen eBay-Tochter PayPal vor allem darum, Kosten zu reduzieren. "Aufgaben werden verstärkt an externe Dienstleister ausgelagert", sagt Mathes. Bei Externen würden derzeit ebenso zusätzliche Kapazitäten aufgebaut wie bei PayPal in Polen. Auch nach Irland möchte der US-amerikanische Online-Bezahldienst Aufgaben aus Berlin verlagern, findet dort aber nicht das passende Personal. "Die Geschäftsleitung hat ganz unverfroren erklärt, dass wir uns ja neu auf ausgeschriebene Stellen bewerben könnten", so der Betriebsratsvorsitzende.

Da mittlerweile wenig Hoffnung besteht, den Standort Wilmersdorf mit allen Stellen zu erhalten, und sich bereits mehr als 50 der dort Beschäftigten andere Jobs gesucht haben, wollen Betriebsrat und ver.di nun wenigstens einen guten Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Arbeitgeber aushandeln. Aber hier erweist sich PayPal, das 2019 weltweit einen Umsatz von knapp 18 Milliarden US-Dollar verbuchte, als knauserig. Nach zahlreichen ergebnislosen Gesprächen hat die Arbeitgeberseite nun immerhin eine Einigungsstelle angerufen. Für den 2., 8. und 30. April wurden die ersten Verhandlungen terminiert.

Nachteilausgleich muss drin sein


"Eine Verständigung kann es nur geben, wenn PayPal angemessene Abfindungen inklusive eines Nachteilausgleichs zahlt", sagt Anselm Mathes. Sollten Beschäftigte etwa künftig in einem Call Center arbeiten müssen, hätten sie dort schlechtere Verdienstmöglichkeiten als bei PayPal. Diesen Nachteil müsse der Arbeitgeber ausgleichen. Zudem fordern Betriebsrat und ver.di eine Transfergesellschaft für alle, die nicht gleich eine neue Stelle finden.

Die PayPal-Zentrale im kalifornischen San José hatte den Berliner Standort bereits zum Jahresende 2019 auf nur noch 46 Kundenbetreuer*innen schrumpfen wollen. Als neues Ziel sei nun, so Anselm Mathes, Ende April ausgegeben worden. Doch angesichts der bisherigen zähen Verhandlungen glaubt er eigentlich nicht, dass das Unternehmen sich bis zu diesem Zeitpunkt zu Zahlungen in angemessener Höhe durchringen wird.

Mittwoch, 20. Mai 2020

Agil zum Ziel sprinten


aus ver.di publik 02/2020

GUTE ARBEIT — Bei agiler Projektarbeit herrscht noch immer zu viel Druck von oben


Von Gudrun Giese | 20. März 2020

Immer mehr Bedeutung erlangt seit einigen Jahren "agiles Arbeiten", eine besondere Form der Teamarbeit, die nicht mehr nur in IT-Firmen, sondern in vielen Abteilungen großer Unternehmen angewendet wird. Der ver.di-Bereich Innovation und Gute Arbeit hat im Rahmen des Verbundprojektes diGAP (Gute agile Projektarbeit in der digitalen Welt) Ideen entwickelt, wie diese Arbeitsmethode gestaltet werden sollte, um Belastungen abzubauen.


Unter idealen Bedingungen müsste agile Projektarbeit so ablaufen: Ein sehr gut geschultes und aufeinander eingespieltes Team arbeitet gemeinsam, ohne Chef und in enger Abstimmung mit dem jeweiligen Auftraggeber. Bei der agilen Methode "Scrum" werden Arbeitsziele durch das Team für relativ kurze Projektphasen von zwei bis vier Wochen ("Sprints") definiert und danach mit dem Auftraggeber zusammen überprüft. Das Team besteht aus sechs bis zehn Mitgliedern, die klar definierte Rollen haben: Für den Rahmen und die Einhaltung der Methode ist der/die Scrum-Master zuständig, die Entwicklung der Produktidee und die Verbindung zum Kunden übernimmt der/die Product-Owner. Die übrigen Teammitglieder sind die Fachexpert*innen für den Auftrag. Entscheidend für gute agile Projektarbeit ist, dass das Team seinen Weg zum Ziel findet, ohne Druck von außen zu bekommen. Schließlich muss es auch genügend Zeit für ein Projekt haben.

In der Praxis klaffen jedoch Anspruch und Wirklichkeit auseinander. "Den Grundansatz dieser Arbeitsmethode begrüßen wir. Leider hapert es noch an entscheidenden Punkten bei der Umsetzung", sagt Frank Duckwitz, Betriebsratsmitglied in der Commerzbank-Zentrale und dort unter anderem für agiles Arbeiten in den Abteilungen der Projekt- und Prozessentwicklung sowie -betreuung zuständig. Zwei große Probleme gebe es: Die Unternehmensleitung übe Druck auf die agil arbeitenden Teams aus, weil sie Ergebnisse sehen wolle. Und die Teammitglieder hätten nicht genug Zeit, das nicht-hierarchische Arbeiten und selbstbestimmte Entscheiden einzuüben. "Wenn diese Arbeitsmethode klappen soll, müssen alle umlernen", meint Frank Duckwitz. "Wer sich bisher darauf verlassen hat, dass Vorgesetzte Entscheidungen treffen, muss nun selbst Verantwortung übernehmen. Und die, die von sich aus gerne den Ton angeben, sollen lernen, im Team auch auf andere zu hören."

Seit gut sieben Monaten arbeiten ungefähr 4.500 von 12.000 Beschäftigten der Commerzbank-Zentrale nach agilen Methoden. Der Rahmen dafür wurde von Arbeitgeber- und Betriebsratsseite gemeinsam gestaltet. "Im Sommer 2018 kam der Vorstand mit der Idee auf uns zu", so Frank Duckwitz. Der Betriebsrat habe so die Möglichkeit gehabt, von Anfang an Einfluss zu nehmen. In einer Testphase übten Beschäftigte auf freiwilliger Basis die agile Projektarbeit ein. Ihre Erfahrungen gingen in die 2019 abgeschlossene Betriebsvereinbarung ein. "In den Testteams wurde die Vertrauensarbeitszeit erprobt, die sich aber nicht bewährt hat. Nun gilt für die agilen Teams wieder die übliche Gleitzeitregelung, sodass Personalengpässe eher sichtbar werden", sagt Frank Duckwitz. Und solche Engpässe gibt es: Scrum-Master sollen etwa mehrere Teams betreuen, was nicht zur Idee der agilen Arbeit passe. Es müssten dringend mehr Beschäftigte entsprechend qualifiziert werden; Bewerber*innen für diese Aufgabe gebe es genug, so Duckwitz.

Mehr Partizipation


Vergleichbare Erfahrungen wie die Commerzbank-Arbeitnehmer*innen machen auch rund 1.500 Beschäftigte bei der Telekom-IT, die seit 2017 agil arbeiten. "Der Arbeitgeber erhofft sich mehr Effizienz durch diese Arbeitsmethode, die Beschäftigten mehr Partizipation", sagt Thomas Frischkorn, Sprecher des Arbeitskreises Agilität im Gesamtbetriebsrat der Deutschen Telekom-IT, die 2017 aus der T-Systems als Dienstleister für die interne IT ausgegründet worden ist.

Bei einer jüngst abgeschlossenen Beschäftigtenbefragung von 15 agil arbeitenden Teams im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung kam zudem heraus, dass eine unternehmensweite Entscheidung der Telekom die Arbeit im Scrum behindert: der Abbau von Büroarbeitsplätzen. Mit diesem Schritt will das Unternehmen einen dreistelligen Millionenbetrag einsparen, da weniger Schreib- tische vor allem weniger Bürogebäude, Mieten und Betriebskosten bedeuten. "Die agilen Teams benötigen aber Räume, in denen sie zusammenkommen und ihre Projekte planen können", so Thomas Frischkorn. Als weiteres Problem nennt er die Arbeitsintensität. Die Beschäftigten arbeiten zwar ohne erkennbare Hierarchie, neigen aber dazu, sich zu immer höheren Leistungen anzutreiben.

Nadine Müller aus dem ver.di-Bereich Innovation und Gute Arbeit fasste Ende Januar bei der Abschlusstagung des diGAP-Projektes dazu Ergebnisse einer Beschäftigtenbefragung vor allem in der Softwareentwicklung zusammen: "Ein hoher Anteil von 56 Prozent der agil Arbeitenden steht bei der Arbeit oft unter Zeitdruck." Die Mehrzahl der Befragten leiste Mehrarbeit. Beides trifft aber auch auf nicht agil Arbeitende zu. Positiv bewerteten die agil Arbeitenden, dass sie sehr produktiv "hinsichtlich Leistung des Projektteams, Termintreue, Qualität der Lösung und des Kundenfeedbacks" arbeiten könnten. 64 Prozent der agil Arbeitenden fanden, dass sie mit dieser Methode "die Möglichkeit zu mehr selbstbestimmter Arbeit" hätten.

Im Verbundprojekt diGAP, an dem neben ver.di verschiedene wissenschaftliche Einrichtungen und Firmen beteiligt waren, werden nun bis zum Herbst die Projektergebnisse aufbereitet. "Wichtig sind Freiräume für die agil Arbeitenden", sagt Christian Wille vom Bereich Innovation und Gute Arbeit. "Auch für Betriebs- und Personalräte ist agile Projektarbeit eine Herausforderung, denn Mitbestimmung und Schutzrechte der Beschäftigten müssen dafür weiterentwickelt werden." Ein Leitfaden mit Empfehlungen ist gerade veröffentlicht worden.

Die Dokumentation der Abschlusstagung und Empfehlungen für tarifliche und betriebliche Regelungen gibt es im Internet: diGAP.verdi.de


Donnerstag, 14. Mai 2020

Montag, 11. Mai 2020

Kurzarbeit


Bei Weltbild gab es jetzt im April einen Monat Kurzarbeit. Seit Mai nicht mehr und ob es nochmal kommt, hängt von der Weiterentwicklung der Corona-Krise ab.
Die Gesamt-Betriebsvereinbarung gilt aber weiterhin für die Filialen und die Zentrale in Augsburg. Hier hat der Gesamtbetriebsrat und die Geschäftsführung in sehr kurzer Zeit was richtig gutes verhandelt.

Das Kurzarbeitergeld beträgt 60 % bzw. 67 % des ausgefallenen Netto-Gehalts. Das ist für viele KollegInnen sehr wenig, auch weil die üblichen Abbuchungen wie Miete, Versicherungen, eventuelle Kredite, usw. weiterlaufen und leben soll man ja auch noch. Deswegen ist in der Gesamt-Betriebsvereinbarung eine Aufstockung auf 80 % bis zu 90 % des ausgefallenen Nettogehalts geregelt, gestaffelt nach Bruttovergütung. Dies war speziell für unsere KollegInnen in den Filialen eine große Hilfe, da die Geschäfte ja geschlossen hatten.

Ebenso ist ein Kündigungsschutz geregelt. Während der Kurzarbeit und 6 Wochen nach Ablauf der Kurzarbeit dürfen keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden.

Ob wieder Kurzarbeit gebraucht wird, hängt von diversen Faktoren (z.B. Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage von Weltbild) ab. Und das geht nie ohne den Gesamtbetriebsrat. Dieser prüft sehr genau, ob und wie lang Kurzarbeit benötigt wird.

Freitag, 8. Mai 2020

Applaus ist zu wenig!


In Zeiten der Corona-Pandemie zeigt sich: Bestimmte Berufsgruppen halten den Laden am Laufen und unsere Gesellschaft zusammen. Dazu gehören beispielsweise die Beschäftigten in Verkehrsunternehmen, bei Abfallentsorgern, in Lebensmittel-Läden sowie in Heimen und Krankenhäusern. Zum Großteil sind es frauendominierte Berufe. Ohne sie wäre die Daseinsvorsorge nicht gewährleistet. Die Republik würde ins Chaos stürzen.

Viele dieser Berufe gehen mit hoher Belastung und geringer Wertschätzung einher. Zudem ist die Bezahlung oft unterdurchschnittlich. Während der durchschnittliche Bruttostundenlohn aller Berufe bei 19,38 Euro liegt, weisen in der Krise wichtige Berufsfelder oft deutlich niedrigere Löhne auf. So erhält der Verkäufer im Supermarkt nur 9,66 Euro und die Busfahrerin 11,38 Euro die Stunde. Die Zahlenangaben sind von 2014, neuere Zahlen gibt es dazu leider nicht.

Die Gründe dafür sind vielfältig, aber klar ist: Politik trägt eine gehörige Mitschuld daran. Sie hat Märkte liberalisiert. Sie hat öffentliche Dienstleistungen ausgelagert und privatisiert. Und sie hat die Arbeitsmärkte prekarisiert. Deshalb brauchen wir eine politische Kehrtwende: Wir müssen die Arbeitsbedingungen verbessern, die Löhne erhöhen, Tarifverträge stärken – und so die Arbeit in unverzichtbaren Berufen aufwerten. Das würde auch die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern reduzieren.


Dienstag, 5. Mai 2020

Corona: In der Krise rächt sich die marktorientierte Gesundheitspolitik


Leere Regale in den Supermärkten, geschlossene Schulen, abgesagte Messen, sinkende Börsenkurse, Kurzarbeit und Entlassungen: Die schlechten Nachrichten häufen sich. Die Bundesregierung schnürt eilig ein Hilfspaket für milliardenschwere Investitionen in der Wirtschaft. Auf Kliniken und Krankenhäuser rollt dennoch ein Tsunami zu, wie ein betroffener Arzt im Katastrophengebiet Italien die Flut der Schwerstfälle der am Corona-Virus Erkrankten schon Anfang März beschrieb. Ein schnelles Ende der Ansteckungswelle ist nicht in Sicht. Und in der Krise muss sich nun auch unser Gesundheitssystem beweisen. Die Frage ist nur, ob es das kann: Seit Jahren wird bei den Ausgaben gespart, werden Medikamente und medizinisches Material kostengünstig im Ausland produziert und verknappen sich bei Produktionsproblemen. In den Kliniken fehlt es an Personal, ganze Abteilungen werden ausgelagert, um Kosten zu reduzieren. Ökonomische Interessen haben schon lange die Vernunft verdrängt. Und das könnte sich nun rächen.

Nicht nur Apotheken können keine Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel mehr liefern, auch immer mehr Kliniken stellen fest, im Keller liegen keine Reserven. Bei zahlreichen Medikamenten, die in Deutschland verkauft werden, gibt es ebenfalls Engpässe, und das auch schon länger. Ob Blutdrucksenker, Schmerzmittel oder Schilddrüsenhormone, die Gelbe Liste 2019 ist lang. Im Februar hat der Bundestag eine Änderung im Arzneimittelgesetz beschlossen: Pharmafirmen können nun von Behörden verpflichtet werden, Medikamente auf Vorrat zu halten, um Lieferengpässe zu vermeiden. Aber das sollten sie dann auch tun, und zwar schnell. Aber nicht nur der Mangel an Material- und Medikamentennachschub bereitet Sorgen. Auch die Personaldecke ist seit Jahren ausgedünnt. Menschen in Kranken- und Pflegeberufen arbeiten noch immer viel zu oft am Limit. Inzwischen fangen die Kliniken sogar an, sich gegenseitig die Fachkräfte abzujagen. Da hilft es jetzt auch nicht, dass die Bundesregierung ein Fachkräfteeinwanderungs-gesetz verabschiedet hat, das von der Öffentlichkeit kaum beachtet am 1. März in Kraft getreten ist, und mit dem zügig Pflegekräfte aus dem außereuropäischen Ausland gewonnen werden sollen. Gute Arbeitsbedingungen und Löhne wären der bessere Weg hin zu mehr Personal.

Das Virus trifft auf Kliniken in Not, auf überlastete Ärzte und Pflegekräfte und auf krank machende Arbeitsbedingungen

Mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 spitzt sich die Lage zu: Das Virus trifft auf Kliniken in Not, auf überlastete Ärzte und Pflegekräfte und auf krank machende Arbeitsbedingungen. Es trifft auf Menschen, die aus Leidenschaft helfen, manche bis zum Burnout. Dabei brauchen sie jetzt dringend selbst Entlastung. Die Politik könnte die Arbeitsbedingungen in den Kliniken verbessern. Doch das macht sie nicht. Fallpauschalen bestimmen, was eine Krankheit kosten darf, niedrige Kosten sind wichtiger als die Gesundheit der Bevölkerung. ver.di kämpft schon seit geraumer Zeit für mehr Personal und Entlastung in den Krankenhäusern. Dabei ging und geht es auch darum, per Gesetz durchzusetzen, wie viele Menschen wie viele Patient*innen pflegen. Dafür haben ver.di, der Deutsche Pflegerat und die Deutsche Krankenhausgesellschaft erst kürzlich Standards auf Grundlage der Pflegepersonalregelung festgelegt. Als weiteren Schritt haben 16 Großkliniken nach Arbeitskämpfen Vereinbarungen für mehr Personal und Entlastung unterschrieben. Das Klinikpersonal konnte und wollte die viel zu dünne Personaldecke nicht länger ertragen. Doch nun kommen erneut Extraschichten auf die Beschäftigten zu, weil das Virus nicht darauf gewartet hat, bis die Politik endlich handelt. Sie sind Held*innen, wenn sie das aushalten.

Politik und Gesellschaft müssen ihre Nöte endlich ernst nehmen. Jetzt, und auch wenn das Virus wieder verschwindet. Ärzt*innen und Pflegekräfte helfen Menschen in Not. Sie kämpfen um die Leben der Infizierten, aber auch tagtäglich um viele andere Patient*innen, die ebenfalls schwer erkrankt sind. Wo wegen Corona die Untergrenzen für das Personal aufgehoben werden, ist die Grundversorgung nicht mehr gesichert. Das Aufschieben von Operationen, die noch eine Weile warten können, verschafft vielleicht kurzfristig eine Atempause, ist aber keine Dauerlösung. Allen muss jetzt klar sein, wenn Patient*innen nicht mehr richtig versorgt werden können, weil zu wenig Personal da ist, dann liegt die Schuld nicht beim Krankenhauspersonal. Die Verantwortung hat allein die Politik, die das Gesundheitssystem dem Markt zum Fraß vorgeworfen hat und seit zwei Jahrzehnten ausbluten lässt.

aus: ver.di Publik 02/2020

Donnerstag, 30. April 2020

1. Mai 2020: Solidarisch ist man nicht alleine



Wir seh'n uns im Netz: www.dgb.de/erstermai


Wir lassen Sie nicht allein! Klicken Sie auf das Logo.