Dienstag, 29. November 2011

Keine Stigmatisierung in der Weltbild-Abwehrschlacht

Einige Worte über Solidarität, Toleranz und eine fragwürdige Formel

Die Diskussion um den Verkauf der Verlagsgruppe Weltbild treibt seltsame Blüten. Immer häufiger wird jetzt in Statements und Kommentaren dazu aufgefordert, aus der Katholischen Kirche auszutreten und gleichzeitig Gewerkschaftsmitglied zu werden. Bei aller (berechtigten) Kritik an Missständen innerhalb der Kirche – und natürlich auch an der Entscheidung der Bischöfe als Weltbild-Eigentümer: Hat das eine mit dem anderen zwingend (und logisch) etwas zu tun?

Tenor zahlreicher Kommentare war, dass die Reaktion der Bischöfe auf den »Porno-Skandal« in direkten Zusammenhang mit Machkämpfen innerhalb der Kirche stünden. Konservative »Fundis« stritten mit liberal und pragmatisch eingestellten Katholiken über das inhaltliche Grundverständnis der Kirche Roms – und damit über die zukünftige strategische Ausrichtung. Die Verkaufsentscheidung als Signal der tradionsstarren »Hardliner« für ihr (gewachsenes) Machtpotential?

Das kann man so sehen. Es ändert natürlich nichts an der Tragweite des Beschlusses, Weltbild schnellstens zu verkaufen. Trotz geschickter Beschwichtigungsreden von Seiten der Geschäftsführung nach Verkündigung der Verkausfentscheidung haben sich mögliche gravierende Folgen für die Beschäftigten nicht in Luft aufgelöst – und damit sind die Forderungen des Betriebsrates und der Gewerkschaft nach Abschluss eines Zukunftstarifvertrag angemessen und richtig.

Jetzt muss hart verhandelt werden, Druck auf Bischöfe und Geschäftsführung muss erfolgen, die legitimen Interessen der Weltbild-MitarbeiterInnen müssen weiterhin deutlich über den Medienweg in die Öffentlichkeit transportiert werden, die Kolleginnen und Kollegen im Verlag müssen aufgerüttelt und mobilisiert werden.

Selbstverständlich ist da beim Kampf um Arbeitsplätze und soziale Absicherung jeder neue Beitritt zur Gewerkschaft eine Hilfe. Doch was bringt eine Kündigung der (katholischen) Kirchenmitgliedschaft?

Die Formel »Ich trete da aus und dort ein« ist mehr als fragwürdig. Vielleicht macht sie ein wenig Sinn, betrachtet man allein den finanziellen Aspekt – frei nach dem Motto: Dann lässt sich der monatliche Beitrag für verdi monetär besser verkraften. Na ja, ich weiß nicht … Meines Empfindens werden mit der »raus-rein-Formel« Äpfel mit Birnen verglichen. Gewerkschaftliche Organisierung ist (in erster Linie) eine politisch-solidarische Entscheidung jedes einzelnen Menschen, die Mitgliedschaft in einer Kirche (in erster Linie) eine spirituelle – auch wenn man mit der Kirchensteuer die Institution Römisch-Katholische Kirche finanziell unterstützt. Für beide Mitgliedschaften gilt natürlich das Prinzip der individuellen Freiheit.

Ich halte die Losung »Raus aus der Kirche, rein in die Gewerkschaft« für eine anmaßende Forderung – und betrache sie als Schlag ins Gesicht der Augsburger Kollegen von der Katholischen Betriebsseelsorge und der KAB, Hans Gilg und Erwin Helmer, die die Weltbild-Mitarbeiter und den Betriebsrat – nicht nur in der aktuellen Verkaufs-Angelegenheit – so engagiert und solidarisch unterstützt haben und es auch weiterhin tun. Katholische Kirche ist vielleicht doch mehr als Mixa, Meißner & Co., Kindesmissbrauch, Zölibat und Scheinheiligkeit …

Mitglied der katholischen Kirche und gleichzeit engagiertes Gewerkschaftsmitglied zu sein – das ist kein Widerspruch. Und – bei allem Respekt vor vielen berechtigten Kritikpunkten an der Institution Katholische Kirche und ihrer »Politik« und Lebensferne: Es darf nicht so weit kommen, dass die Mitgliedschaft in dieser Kirche (oder einer anderen Glaubensgemeinschaft) zum Stigma wird. Erst recht nicht in Kreisen von sozial gesinnten, engagierten, solidarisch und liberal denkenden Gewerkschaftern. Deshalb: Immer schön auf dem Teppich bleiben. Und sich an die weisen Worte von Rosa Luxemburg erinnern: »Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden«.

Im übrigen: Um die Ziele für die Weltbild-Mitarbeiter zu erreichen, die sich Betriebsrat und Gewerkschaft verdi gesetzt haben, ist ein Bündeln sämtlicher Kräfte erforderlich – und eine tolerante Grundeinstellung. KollegInnen, die eine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft scheuen wie der Teufel das Weihwasser, müssen genauso für Unterstützung und Aktionen gewonnen werden, wie sonntägliche Kirchgänger und Beichtstuhl-Praktiker. Das CSU-Ortsverbandsmitglied ist als ebenso willkommen wie der Piratenpartei-Aktivist. Sie alle haben solidarisch die Aufgabe, den Bischöfen ihre soziale, moralische und christliche Verantwortung für die Weltbild-Beschäftigten vor die Nase zu halten.

5 Kommentare:

  1. schon lange ausgetreten29. November 2011 um 09:23

    Ich denke schon, daß eine merkliche Erhöhung von Kirchenaustritten in Situationen, in denen die Vertreter der Kirche sich asozial verhalten oder ein Weltbild offenbaren, welches mit unserer modernen Lebensrealität nichts mehr zu tun hat, Druck auf die Kirche ausüben kann. Denn, wer mal ausgetreten ist, kommt nicht wieder.

    AntwortenLöschen
  2. ich verstehe natürlich, dass ihr hier so schreiben und die Gemüter beruhigen müsst, wenn ihr eine einigermaßen normale Plattform für den Kampf gegen Arbeitsplatzabbau, Verkauf oder Verscherbelung habt. Und vor Herrn Gilg und Herrn Helmer habe ich größte Hochachtung, dass sie sich getraut haben, in der Betriebsversammlung zu erscheinen. Ich bin gespannt, ob der Augsburger und Münchener Bischof die gleiche Traute haben.

    Nur: Wer hat denn mit den harten Worten angefangen? Auf einer der konservativen katholischen Seiten, ich weiß nicht mehr auf kathnet oder kreuznet war in einem Kommentar zu lesen, man müsste ins Lager von Weltbild gehen und nichtgefällige Bücher herausholen und verbrennen. Und da, liebe Kollegen, hört es auf. Wenn es die Bischöfe nicht hinbekommen, dass solchen "katholischen" Seiten nicht der Hahn abgedreht wird oder sie zur Mäßigung aufgerufen werden, warum sollen wir uns so mit Schmutz bewerfen lassen (Weltbild-Mitarbeiter sollen exkommuniziert werden; wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren, finden sie sicher im Straßenbau noch eine Stelle)? Mit dem Beschluss, uns zu verkaufen, haben die Bischöfe gezeigt, dass sie auf solche Leute hören und nicht auf uns. Und da finde ich es gerechtfertigt, auch von unserer Seite klare Kante zu zeigen.

    AntwortenLöschen
  3. Dass hier mal zum Kirchenaustritt aufgerufen wird, ist doch in einer solche aufgeladenen Situation verständlich! Wenn man vor Weihnachten um seinen Job fürchten muss und im Weihnachtsgottesdienst gepredigt wird, wie sehr Gott die Menschen geliebt hat, dann versteht man doch die Welt nicht mehr - und vor allem nicht mehr die Entscheidung der Bischöfe, auf eine Handvoll erzkonservativer Leute zu hören. Meine Tochter ist sechs Jahre alt und hat mich gestern gefragt, ob der Weihnachtsmann trotzdem zu ihr kommt, wenn Weltbild verkauft wird.

    Man versteht auch nicht, warum z. B. die Caritas mit Heerscharen von 1-Euro-Jobbern arbeitet statt diesen Menschen eine "richtig" bezahlte Stelle anzubieten ... Was treibt die Kirche da für ein Spiel?

    Vielleicht bin ich einfach nicht gebildet genug, um das alles zu verstehen, bin ja auch nur Gabelstaplerfahrer

    AntwortenLöschen
  4. berechtichte kritik an kirche ... und wass nutzt? sie ändern nicht. auch regierung nichts ändern. immer händeschütteln bischof und merkel. und papfst. lassen kirche machen, aber moschee durchsucht. Polizei muss kirche durch suchen. schnell, sont Gold weg!!!

    AntwortenLöschen
  5. könnt ihr etwas zu dem gerücht sagen, dass wir jetzt harry potter nicht mehr verkaufen dürfen ... ich hab gehört, es soll jetzt mehr zensur geben. wisst ihr da mehr?

    AntwortenLöschen

Sie können Ihre Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählen Sie dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Sie unter einem Pseudonym schreiben wollen, wählen Sie die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.

Wir lassen Sie nicht allein! Klicken Sie auf das Logo.