Mittwoch, 26. Mai 2010

Betriebsversammlung: "Sehr harter Anpassungsprozess – wer sich nicht ändert, geht!"


Vier Monate nach Amtsantritt präsentierte sich heute der neu gewählte Betriebsrat auf einer Betriebsversammlung. Neben dem Tätigkeitsbericht des BR präsentierte Geschäftsführer Carel Halff Zahlen zur aktuellen Geschäftsentwicklung. Wer aufmerksam zugehört hat, weiß jetzt, dass die Strategie des Unternehmens vielfältige Folgen für die MitarbeiterInnen haben wird. "Es geht nicht ohne einen sehr harten Anpassungsprozess!", so der Geschäftsführer wörtlich. Aber der Reihe nach…

Tätigkeitsbericht des Betriebsrats
Zunächst aber informierten die Vorsitzenden Peter Fitz und Josef Trutt die Belegschaft über die Ergebnisse der Betriebsratsarbeit. Zentrale Punkte waren
• Nachverhandlung der Betriebsvereinbarung zur Leistungsprämie. Nach dem derzeitigen System kommen an VTJ und VTA völlig unterschiedliche Prämien heraus, obwohl die KollegInnen in beiden Bereichen gleichermaßen hart arbeiten. Der BR verhandelt jetzt eine neue Berechnungsgrundlage. Die Prämien werden rückwirkend ab dem 1.4.2010 gezahlt.

• Betriebsvereinbarung zur Einführung von SAP. Der BR beschwerte sich darüber, dass er entgegen den Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz viel zu spät von der Geschäftsleitung über das Großprojekt informiert wurde. Mittlerweile erhält der BR aber Einblick in die Projektdokumentation und begleitet den Prozess sehr kritisch. Auch unter Einbeziehung versierter externer Berater. Ziel des BR ist eine Betriebsvereinbarung mit dem Ziel der Beschäftigungssicherung und eines fairen Interessenausgleichs. Leider zeigt sich die Geschäftsleitung gerade bei diesen Punkten noch sehr wenig kooperativ. Der Betriebsrat stellt sich auf harte Verhandlungen ein: "Wir wollen, dass unsere hochqualifizierten KollegInnen aus dem Bereich ES9000 auch nach 2014 noch einen sicheren Arbeitsplatz haben." Das weitere Vorgehen stimmt der BR mit den Betroffenen auf einer Abteilungsversammlung am 15. Juni ab.

• Betriebsvereinbarung zur Videoüberwachung. Die Außenbereiche des Himmer-Komplexes und des Logistikzentrums werden aus Sicherheitsgründen mit Kameras überwacht. Der BR hat durchgesetzt, dass diese Überwachung nur außerhalb der Arbeitszeiten stattfinden darf und dass Pausenbereiche grundsätzlich geschwärzt werde. Einzige Ausnahme: Der etwas abgelegenen Mitarbeiter-Parkplatz an der Pfaffenhofener Straße. Hier sollen die Kameras zum Schutz der Kolleginnen und Kollegen sowie der dort geparkten privaten Fahrzeuge ständig laufen.

• Betriebsvereinbarung Mitarbeiter-Ausweise. Die neuen Ausweise dienen der Zugangskontrolle und der vereinfachten Abrechnung der Rabatte, die MitarbeiterInnen im Buchladen erhalten. Der Ausweis ist deshalb ständig bei sich zu tragen und bei allen Einkäufen vorzulegen. JedeR MitarbeiterIn darf pro Jahr 1080,- Euro Rabatt steuerfrei nutzen. Der jeweilige Stand des persönlichen "Rabatt-Kontos" ist im Personalbüro oder bei den Vorgesetzten zu erfragen. Darüber hinaus wird jedeR informiert, wenn er/sie die Steuerschwelle überschreitet.

Da die neuen Ausweise mit RFID-Chips ausgestattet sind, war es dem Betriebsrat besonders wichtig, dass diese nicht zur Mitarbeiter-Überwachung missbraucht werden, z.B. durch die Erstellung von Bewegungsprofilen. Hier hat sich der BR auch durchgesetzt und mit der Geschäftsführung entsprechende Vereinbarungen ausgehandelt und technische Vorkehrungen getroffen, die das ausschließen. Den Wortlaut dieser BV kann jedeR MitarbeiterIn in Lotus Notes nachlesen oder im BR-Büro einsehen.

• Einen weiteren schönen Erfolg erzielte der BR bezüglich der Entlohnung der WerkstudentInnen. Die KollegInnen erhalten im ersten und zweiten Beschäftigungsjahr bis zu 1 Euro mehr pro Stunde, eine Steigerung von rund 9 Prozent! (Über Details werden wir demnächst in diesem Blog berichten.)
Projekt GRAzil
Betriebsrätin Visnja Bernhard stellte gemeinsam mit Tatiana Fuchs und Daniela Wörner vom Internationalen Institut für empirische Sozialökonomie (inifes) die Fortschritte beim Gesundheitsvorsorgeprojekt GRAzil dar.
• Etliche Maßnahmen aus den Workshops wurden bereits umgesetzt, z.B. zur Verbesserung der Arbeitskleidung, der Klimaregelung an den Arbeitsplätzen, der Schleusen-Dämmung, verbesserter Hygiene und dem systematischen Wechsel von belastenden und weniger belastenden Tätigkeiten ("Job-Rotation")

• Verhandelt wird derzeit unter anderem über besonders weiche "Service-Schuhe", angemessene Unterweisungen und die maximale Arbeitszeit in Lager/Versand. Die körperlich schwer arbeitenden KollegInnen in Lager/Versand sind einhellig der Meinung: "9 Stunden sind zuviel!" Der BR hat hier den klaren Auftrag der Belegschaft über eine Verbesserung der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit zu verhandeln.

• Auch wenn das Projekt GRAzil seine Wurzeln in der Verbesserung der Arbeitsbedingungen für ZeitarbeiterInnen hat: Die getroffenen Vereinbarungen kommen allen KollegInnen zu Gute und werden in Zukunft auch für den Angestelltenbereich ausgearbeitet.
Zeitarbeit
"Der Betriebsrat ist sich einig: für unsere KollegInnen von der Zeitarbeit muss eine eigene Betriebsvereinbarung her!", kündigte Betriebsrätin Visnja Bernhard ein entschlossenes Vorgehen des BR in dieser Sache an. Weltbild beschäftigt so genannte Stamm-LeiharbeiterInnen, die zum Teil seit 8 Jahren in diesem prekären Beschäftigungsverhältnis ausharren. Bernhard: "Das heißt 8 Jahre Hoffen auf Übernahme, 8 Jahre schlechtere Bezahlung und zum Teil sogar den Antrag auf Hartz IV, weil der Lohn nicht zum Leben reicht. Das ist Ausbeutung auf Allgemeinkosten und Menschen unwürdig. Der BR muss und wird jetzt handeln!"

Tarifverhandlungen
Als Mitglied der Tarifkommission der Gewerkschaft informierte Peter Fitz über den Stand der Tarifverhandlungen. Ver.di fordert
• Erhöhung um 4,5% der Löhne und Gehälter, mindestens jedoch 80 Euro
• Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 40 Euro
• Bei einer Laufzeit von 12 Monaten ab dem 1. April 2010
• Der Manteltarifvertrag muss unverändert geschlossen werden
Mit der Übergabe der Forderungen hat die Tarifkommission drei Verhandlungstermine vorgeschlagen, die der Arbeitgeber-Verband angeblich nicht erhalten haben will. Jetzt haben die Arbeitgeber eigene Termine Ende Juni/Anfang Juli vorgeschlagen. Aus Sicht der Gewerkschaft eine klare Verzögerungstaktik, um den Zeitpunkt der fälligen Lohnerhöhung hinauszuzögern. (In diesem Blog berichten wir über den weiteren Verlauf der Verhandlungen.)

Geschäftsbericht von Carel Halff
Zum Abschluss der Betriebsversammlung berichtete der leitende Geschäftsführer auf Einladung des BR über die aktuelle Unternehmensentwicklung. In seiner Darstellung legte Halff besonderen Wert auf den Wandel in der Handelslandschaft. Der Trend gehe klar in Richtung Internet und auch die Sortimente verschöben sich (weg vom Sachbuch, hin zur Belletristik und non-book-Angeboten). Die zwangsläufige Folge seien viele Veränderungen: "in der IT, in der Werbung und im Sortiment."

Derzeit freue man sich über eine insgesamt positive Umsatzentwicklung, den steigenden Umsätzen im Internet stünden aber sinkende Umsätze in den Filialen und dem Katalog gegenüber. Weltbild sei mit seinem Multi-Channel-Konzept (also dem gleichzeitigen Vertrieb über Katalog, Filialen und Internet) zwar stark aufgestellt, müsse sich aber an die Marktentwicklung anpassen: "Wer sich nicht ändert, der geht früher oder später." Die Folge sei ein "sehr harter Anpassungsprozess" in allen Bereichen.

Betriebsrat Timm Boßmann warf ein, dass die Belegschaft (z.B. in den Filialen) während der letzten 12 Monate zahlreiche Entlassungen erduldet und Restrukturierungen mitgetragen habe. Wann denn die eingangs beschworenen positiven Entwicklungen den MitarbeiterInnen zu Gute kämen? Halff gab daraufhin zu, dass die Gesamtsituation weiter schwierig sei und die MitarbeiterInnen derzeit "keine Wohltaten" zu erwarten hätten. Vorsitzender Peter Fitz stellte klar, dass es dem Betriebsrat keineswegs um "Wohltaten" geht, sondern um "fairen Umgang" und das "Wissen, was die Zukunft bei Weltbild bringt".

Vor diesem Hintergrund wird der Betriebsrat der Geschäftsführung weiterhin sehr kritisch auf die Finger schauen. Nach den Äußerungen von Carel Halff ist klar, dass es nicht nur im Bereich IT einschneidende Veränderungen geben wird. Genannt wurden ebenso Werbung und Versand. Über die weiteren Entwicklungen informieren wir Sie in diesem Blog.

1 Kommentar:

  1. Man muss dem Betriebsrat hier ein Lob aussprechen. Das es gelungen ist die Kameraüberwachung ( teilweise sieht es aus wie an einer Militärgrenze ) einzudämmen. Ich hoffe das das auch überprüft wird ob diese Maßnahmen eingehalten werden. Denn jeder Bürger hat ein Recht darauf selber zu entscheiden was mit Videoaufzeichnungen und Bildern oder Tönen die von ihm gemacht worden sind geschieht. Datenschutz vor !

    AntwortenLöschen

Sie können Ihre Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählen Sie dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Sie unter einem Pseudonym schreiben wollen, wählen Sie die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.

Wir lassen Sie nicht allein! Klicken Sie auf das Logo.