Donnerstag, 17. März 2016

Mindestlohn - Jetzt geht es um die Erhöhung (Teil 2)


Fortsetzung der Artikel zum Mindestlohn aus der ver.di-Zeitschrift publik:

Schwierige Diskussion um eine europäische Lohnuntergrenze

Von Heike Langenberg

Zum 1. Januar 2017 soll der allgemeine gesetzliche Mindestlohn in Deutschland erstmals angepasst werden. Bereits jetzt wettern die Arbeitgeber gegen eine Erhöhung, fordern zudem Ausnahmen für weitere Gruppen wie Geflüchtete. Die Mindestlohn-Kommission, siehe Kasten, soll bis zum 30. Juni 2016 über die Anpassung entscheiden. Geht sie allein nach der Tarifentwicklung der beiden vergangenen Jahre, dürfte die Anpassung bei knapp 50 Cent pro Stunde liegen, rechnet Thorsten Schulten vor, Mindestlohn-Experte des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

Das würde dann knapp neun Euro pro Stunde bedeuten. Diesen Wert bezeichnete der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Ingo Kramer, als "völlig unverständlich und illusorisch". ver.di hingegen fordert zehn Euro pro Stunde, und das schon seit 2011. Spielraum dazu hätte die Kommission durchaus, soll sie doch laut gesetzlicher Vorgabe für einen "angemessenen Mindestschutz" sorgen.

Denn auch neun Euro pro Stunde zählen in Deutschland immer noch zu den Armutslöhnen. Deren Grenze liegt bei 9,87 Euro pro Stunde, nämlich weniger als 60 Prozent des sogenannten Mediaeinkommens, also des mittleren Einkommens. Auch liegen viele Branchen-Mindestlöhne über zehn Euro pro Stunde. Diese will ver.di weiter ausbauen, kündigte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis Ende Januar bei einer Tagung in Berlin an.

Slowenien als Vorbild


Auch mit neun Euro pro Stunde läge Deutschland immer noch unter den in anderen westeuropäischen Ländern gezahlten Mindestlöhnen. 60 Prozent des Median­einkommens werden derzeit in Frankreich und Slowenien gezahlt. Diese Einkommensgrenze spielt auch in der Diskussion um einen europäischen Mindestlohn eine große Rolle. Unter anderem hat sich der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, im Europawahlkampf für eine europaweit geltende Lohnuntergrenze stark gemacht. Allerdings zeigen Vorgaben der Europäischen Kommission für Krisenländer, dass sie durchaus 40 bis 50 Prozent des Medianeinkommens als ausreichende Höhe für einen Mindestlohn ansieht.

Bei der Tagung in Berlin, bei der das WSI, ver.di und die Friedrich-Ebert-Stiftung Bilanz von einem Jahr Mindestlohn in Deutschland gezogen haben, wurde mit ausländischen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern auch die Frage eines euro­päischen Mindestlohns diskutiert. Klar wurde, dass es dabei aufgrund der unterschiedlichen Lohnniveaus und der unterschiedlichen Produktivität in den 28 Mitgliedsstaaten nicht um eine einheitliche Summe gehen kann. Es zeigte sich auch, wie schwierig es für die Gewerkschaften ist, sich über einen europäischen Mindestlohn zu verständigen. Gewerkschaften aus den nordischen Ländern lehnen politische Vorgaben beispielsweise ab, dort handeln die Gewerkschaften Lohnuntergrenzen mit den Arbeitgebern aus und schreiben sie in Tarifverträgen fest. Aufgrund einer hohen Tarifbindung haben diese Mindestlöhne aber eine große Reichweite.

Eine Forderung nach 60 Prozent des Medianeinkommens ist jedoch in der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln, ist sie doch nicht so plakativ wie eine einheitliche Summe. Allerdings wird die Diskussion weitergehen, unter anderem im Herbst beim Kongress des Europäischen-Gewerkschaftsbundes.




Mindestlohn-Kommission


Regelmäßig soll der Mindestlohn angepasst werden. Dazu hat der Gesetzgeber eine Mindestlohn-Kommission eingerichtet, sie hat sich Anfang vergangenen Jahres konstituiert.

Vorsitzender ist mittlerweile der ehemalige RWE-Arbeitsdirektor Jan Zilius; außerdem gehören ihr je drei Mitglieder auf Vorschlag der Gewerkschaften und der Arbeitgeber an. Beratende Mitglieder sind zwei Wissenschaftler/innen. Vor Seiten der Gewerkschaften sind Robert Feiger, Vorsitzender der IG BAU, DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sowie die Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung - Genuss - Gaststätten, Michaela Rosenberger, Mitglied.

Im Mindestlohngesetz heißt es, dass die Kommission prüfen soll, "welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen sowie Beschäftigung nicht zu gefährden". Orientierungspunkt soll die Tarifentwicklung sein.






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