Freitag, 12. August 2016

Arbeit: Realität und Vision


Arbeit soll Menschen ein Leben in Würde und die soziale Teilhabe ermöglichen. Doch immer mehr Beschäftigte können heute von ihrer Arbeit nicht mehr leben. Mittlerweile weicht jedes dritte Arbeitsverhältnis vom sogenannten Normalarbeitsverhältnis ab. Das ist die Folge der Arbeitsmarktreformen der vergangenen zehn Jahre. Insbesondere die „Agenda 2010“ der damaligen rot-grünen Bundesregierung hat dies bewirkt. Sie sorgte für einen stetig wachsenden Niedriglohnsektor. Minijobs, Leiharbeit und Solo-Selbstständigkeit haben seither massiv zugenommen.

Die Löhne all dieser Beschäftigten liegen im Schnitt deutlich unter den Entgelten eines Normalarbeitsverhältnisses. Fast die Hälfte dieser Beschäftigten verdient Bruttolöhne unterhalb der Niedriglohngrenze – und das mit zunehmender Tendenz. Aber auch viele Normalarbeitsverhältnisse sichern inzwischen nicht mehr die Existenz.
Geltende Gesetze sorgen dafür, dass Lohndumping hoffähig wird. Inzwischen verdienen rund anderthalb Millionen Menschen so wenig mit ihrer Arbeit, dass sie zusätzlich auf Hartz IV angewiesen sind. Diese Aufstockerei kostet den Staat rund elf Milliarden Euro im Jahr, die natürlich die Steuerzahlerschultern müssen  und damit die Lohndrückerei der Arbeitgeber finanzieren.


Das ausgebliebene Jobwunder

 

Gleichzeitig können Arbeitgeber aufgrund der geltenden Gesetze Arbeitskräfte sehr flexibel einsetzen und sich schnell wieder von ihnen trennen. Die Arbeitsmarktreformen sollten ein „Jobwunder“ hervorrufen. Doch letztlich wurde die vorhandene Arbeit lediglich in großem Stil umverteilt und billiger gemacht. Die Folgen sind schwerwiegend: Die sogenannten atypisch Beschäftigten haben ein hohes Risiko, ihren Arbeitsplatz in Zeiten einer Krise zu verlieren. Vor allem die Leiharbeit sorgt dafür, dass sich Belegschaften in Stamm- und Randbelegschaften spalten. Darüber hinaus verbuchen die sozialen Sicherungssysteme herbe Einnahmeverluste.
Der deregulierte Arbeitsmarkt sorgt gleichzeitig dafür, dass sich immer mehr Menschen selbstständig machen. Um eine halbe Million hat die Zahl der Selbstständigen seit 2000 zugenommen – auf über vier Millionen. 60 Prozent von ihnen sind Frauen. Zwar brauchen sie auf keinen Chef zu hören. Aber sie haben auch nicht die Schutzrechte und sozialen Sicherungen abhängig Beschäftigter. Sie müssen sich am Markt behaupten und um Aufträge kämpfen. 30 Prozent von ihnen, bei den Frauen sogar über 40 Prozent, leben von weniger als 1.100 Euro netto im Monat.

Nur in Ausnahmefällen

 

ver.di lehnt jede Art dieser prekären Beschäftigungen ab. Die politisch Verantwortlichen sind aufgefordert, wirksame Schritte zu unternehmen – und zwar gegen das Abdrängen von immer mehr Menschen in sozial schlecht abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse. ver.di fordert die Umwandlung von Minijobs und Niedriglohnarbeit in existenzsichernde Beschäftigung. Leiharbeit, befristete Beschäftigung und andere unsichere Beschäftigungsformen sollten nicht zur Regel werden, sondern die Ausnahme bleiben.

Besser geht immer

 

Menschen haben ein Recht auf gute Arbeit. Auf Arbeit, bei der sie Wertschätzung erfahren und Respekt. Auf Arbeit, die ihrer Leistung entsprechend bezahlt wird und die ihnen ein Leben in Würde ermöglicht. Außerdem haben Menschen ein Recht darauf, ihre Arbeitsbedingungen mitzugestalten. Denn: Unter welchen Bedingungen Menschen arbeiten, ist in hohem Maße ausschlaggebend für ihre Lebensqualität.

Ein zuverlässiges Maß

 

Gute Arbeit kann wissenschaftlich belegt werden. Seit 2007 ist der „DGB-Index Gute Arbeit“ ein zuverlässiges Maß für die Qualität der Arbeits- und Einkommensbedingungen in Deutschland. Dieser Index ist von ver.di in den vergangenen Jahren erarbeitet worden. Die Indexwerte signalisieren, inwiefern die Arbeitsbedingungen bundesweit oder branchenspezifisch den Kriterien für Gute Arbeit gerecht werden. Befragt werden alljährlich Beschäftigte aus unterschiedlichen Branchen.
Seit 2007 liegt der Index Gute Arbeit inzwischen alljährlich vor. Und hier wird deutlich: Zwischen der Qualität der Arbeit und ihrer Innovationsfähigkeit besteht ein enger Zusammenhang. Gute Arbeit fördert die Innovationsfähigkeit, schlechte und insbesondere prekäre, unsichere Arbeit hemmt Innovation und erzeugt Innovationsfaulheit.
Gute Arbeit ist eine Grundbedingung für engagierte Belegschaften, deren Potenziale sich voll entfalten können und die Verantwortung übernehmen wollen. Nur wenn gute Arbeit für die Beschäftigten die Regel ist, nur wenn der Ideenreichtum der Beschäftigten und ihr Wissen und Können im Mittelpunkt stehen, können Unternehmen nachhaltig wachsen. Daher sollte auch den Arbeitgebern an guter Arbeit gelegen sein.

Interessen, Wünsche und Bedürfnisse

 

Gute Arbeit ist für ver.di ein Konzept für die Gestaltung der Arbeitswelt. Denn Gute Arbeit braucht gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Aus diesem Grunde baut ver.di zusammen mit den anderen DGB-Gewerkschaften eine regelmäßige Berichterstattung über die Entwicklung der Arbeitsbedingungen aus Sicht der Beschäftigten auf. Die Kampagne "Gute Arbeit" basiert auf den Interessen, Wünschen und Bedürfnissen der Menschen in den Betrieben und Verwaltungen. Dort, wo sie ihre Ansprüche formulieren, greift ver.di sie auf und verdichtet sie zu Kernforderungen. Diese werden dann zur Grundlage des gewerkschaftlichen Handelns gemacht. Und dort, wo ver.di mit ihren betrieblichen und überbetrieblichen Initiativen an Grenzen stößt, die der Gesetzgeber gesetzt hat, wird Gute Arbeit auch in die Politik eingebracht. Das vor allem auch dort, wo es gilt unsichere und schlecht bezahlte Beschäftigung einzudämmen.

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